Diese Grafik, die ich im letzten Post bereits vorgestellt hatte, zeigt kein Organigramm, sondern die Grundidee einer Unternehmensorganisation für heute und morgen. Starre Hierarchen und isoliert agierende Silos, typisch für Topdown-Organigramme, gibt es hier nicht.
Im Zentrum steht der Daseinssinn, das Warum eines Unternehmens. Im Englischen heißt das Purpose. Dieser Purpose ist nicht – wie in alten Leitbildern üblich – selbstfokussiert, sondern nach außen gerichtet und so attraktiv, dass man die Produkte des jeweiligen Anbieters besitzen, dessen Services nutzen und liebend gern mit ihm zusammenarbeiten möchte.
Für die Kunden ist ein solches Unternehmen ein Sehnsuchtsort – und für die Mitarbeiter ein Heimathafen.
Neu an diesem Organisationsmodell ist vor allem auch eins: Zwischen allen großen Bereichen, hier als verschiedenfarbige, durchlässige Kreise dargestellt, gibt es Brückenbauer, die die jeweiligen Nachbarkreise miteinander verbinden. Zwischen dem Purpose und den Kunden stehen, zunehmend wichtig, WOM-Aktive und Influencer. WOM steht dabei für Word of Mouth, das sind Mundpropaganda, Bewertungen und Empfehlungen. Influencer sind Kaufentscheidungsbeeinflusser. Und ihre Macht steigt.
Umsatzbeschleuniger par excellence: WOM von „wissenden Dritten“
Wir leben in einer Empfehlungsökonomie. Mundpropaganda ist die mit Abstand wichtigste Werbeform. “Wissende Dritte”, also Menschen, die aus eigener Erfahrung glaubhaft berichten, werden zunehmend eine Hauptrolle spielen. Als Botschafter sind berichtende Käufer uns eine große Hilfe, weil ihre helfende Hand den Zaudernden wohlwollend führt.
Eine wesentliche Herausforderung für jeden User ist heute ja die, Informationen zu ignorieren und die Spreu vom Weizen zu trennen. Deshalb fragen wir rum: „Wer hat das schon gekauft? Welche Erfahrungen habt ihr mit … gemacht? Ist das seriös?“ Wie ein menschlicher Algorithmus können Empfehler Komplexität reduzieren, Streuverluste minimieren und Passendes für uns vorsortieren.
Risikominimierer und Bindeglied zwischen Sicher und Ungewissheit
Empfehler sind die Verbindungsbrücken zwischen dem Unternehmenszweck und potenziellen Kunden. Wir finden sie in unserem physischen Umfeld wie auch in der virtuellen Realität: in privaten Netzwerken, in Business-Networks, im Social Web, auf Bewertungsplattformen und „Frag Mutti“-Portalen.
Ihre „Likes“ oder „Dislikes“ sind Blinker im Informationsgestrüpp. Sie sind sozusagen das rettende Ufer, ein unverzichtbares Bindeglied zwischen Gewohntem und Ungewissheit. Und da, wo das Weiterempfehlen gut funktioniert, da klappt es auch mit dem Geldverdienen.
Wer heute erfolgreich sein will, muss nicht mehr länger Reichweite machen, indem er möglichst viele Menschen anspricht. Vielmehr sollen es die Richtigen sein. Und unter den Richtigen gilt es, die Besten zu finden. Das sind die, die selbst konsumieren plus als Influencer agieren. Influencer sorgen nicht nur für Glaubwürdigkeit, sondern auch für ein perfektes Entrée. Zudem stärken sie die Reputation eines Anbieters, verhelfen Produkten und Marken zum Durchbruch und sichern so den Erfolg.
Überaus wertvoll: Influencer, Multiplikatoren und Meinungsführer
Ein Großteil des Influencing findet nach wie vor offline statt. Doch das onlinebasierte Influencing ist mächtig im Kommen. Denn der hohe Vernetzungsgrad und die rasante Schnelligkeit des Cyberspace begünstigen jede Form von Einflussnahme. Meist verknüpft sich hierbei die reale mit der virtuellen Welt.
Eine Sonderform sind die bezahlten Social-Media-Influencer, die wir vor allem im Lifestyle-Bereich finden. Das sind Blogger, Instagramer und YouTube-Aktive mit sehr hohen Followerzahlen. Von spezialisierten Agenturen vermarktet und umfänglich vergütet präsentieren sie auf ureigene Weise die Produkte ihrer Auftraggeber.
Bei den Influencern, die teils auch unentgeltlich agieren, unterscheiden wir zwei Typen:
Der Multiplikator, auch Reichweiten-Influencer genannt:
Solche Typen sind vor allem an Menschen interessiert, kennen Gott und die Welt und lieben die Abwechslung. Sie sind begeisterungsfähig, kreativ, kommunikativ, wahnsinnig umtriebig und extrem gut vernetzt. Sie haben Kontakte zu ganz unterschiedlichen Personengruppen und pflegen sie gut. Ihre Hinweise können sich so wie ein Lauffeuer verbreiten. Multiplikatoren erzielen damit Breite und schnelle Hypes.
Die im Web aktiven Influencer werden in hoher Zahl Inhalte weiterleiten, Interessantes teilen, Meldungen retweeten, Kommentare schreiben, Bewertungen abgeben, an Umfragen teilnehmen, Videos hochladen und einbetten. Sind sie Fan einer Marke, verbreiten sie deren News auf allen ihnen zur Verfügung stehenden Kanälen wie wild. Ihre Motivation: Sie wollen Spaß, auf ihre Weise die Welt mitgestalten, ihrem Netzwerk als Tippgeber dienen – und sich auch ein wenig wichtig fühlen.
Wer dabei virtuos in selbstgemachten Videos auftritt, kann Internet-Berühmtheit erlangen. Der Einfluss auf junge Menschen ist dabei besonders groß. „Wenn ich eine Marke nicht kenne, will ich immer zuerst wissen, was andere in meinem Netzwerk darüber denken“, sagt Sofia, 19 Jahre. Hierbei folgt sie solchen Multiplikatoren, die in ihrer Welt eine große Rolle spielen. Diese findet sie vor allem auf YouTube, Facebook und Instagram.
Der Meinungsführer, auch Themen-Influencer genannt:
Solche Typen sind vor allem an Informationen interessiert. Sie haben reiches Detailwissen auf ihrem Fachgebiet und beraten andere gern. In ihrem Umfeld werden sie als Experte geschätzt. Ihre Meinung wird selten infrage gestellt. Vorbehaltlos hängt man an ihren Lippen und folgt ihren Hinweisen nahezu blind.
Meinungsführer erzielen somit Tiefe und können als wirksame Beeinflusser und hocheffiziente Empfehler fungieren. Sie wissen um ihre Macht und sind anspruchsvoll. Sie pflegen ihre Reputation und wollen umworben werden. Nie lassen sie sich für Minderwertiges vor den Karren spannen. Die im Web aktiven Meinungsführer sind sehr stark verlinkt, weil ihre fundierten Botschaften gerne weiterverbreitet werden.
Als Meinungsmacher haben sie sich einen relevanten Platz in ihrer Online-Gemeinde gesichert. Ihr Einfluss ist groß, da sie es auch zu einiger Medienpräsenz bringen und in der Presse oft als Zitategeber fungieren. Vor allem A-Blogger haben in diesem Kontext einen sehr hohen Stellenwert.
Wie man passende Influencer, Multiplikatoren und Meinungsführer findet und für sich gewinnt? Das und viel mehr zum Thema WOM steht in meinem Buch Das neue Empfehlungsmarketing.