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Silo-Denke und Transformationsaversion: Totengräber in klassischen Unternehmen

Eine kollaborative, crossfunktionale Zusammenarbeit im Unternehmen: längst eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Doch siehe da: Eine aktuelle Managementbefragung des FAZ-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Sopra Steria ergab, dass zwei von fünf Führungskräften nicht dazu bereit sind, Daten abteilungsübergreifend zugänglich zu machen. Und jeder dritte der 254 befragten Manager würde Ressourcen nicht intern teilen, obwohl das Unternehmen hierdurch effektiver und innovativer agieren könnte.

Dies sind fatale Auswüchse tradierter Silo-Strukturen. Die Starrheit solcher Strukturen, die in den industriell geprägten Zeiten des letzten Jahrhunderts gut und richtig waren, steht uns heute im Weg, weil Starrheit innovationsfeindlich ist. Enge Planungskorsetts, überbordende Steuerung und penible Kontrollen machen Unternehmen langsam und dumm. Solche Unternehmen werden nicht am Markt, sondern an ihren Strukturen und ihrer Transformationsaversion scheitern.

Eine vernetzte Welt verträgt keine unvernetzte Organisation

Silo-Strukturen machen Rivalität unumgänglich. So ist es für den einzelnen Manager im Rahmen seiner Ziel- und Bonusplanung zwangsläufig kontraproduktiv, einen Mitarbeitenden aus dem eigenen Bereich in ein crossdivisionales Projekt abzugeben oder unterjährig in einen anderen Teil der Organisation ziehen zu lassen. Die Person ist schließlich mit allen Kosten in seinem Bereich budgetiert und bei der Abteilungsergebnisplanung fest einkalkuliert.

Und wenn es Probleme gibt, weil eine andere Abteilung patzt? Das wird schwierig! In die Hoheitsgebiete anderer Bereiche greift man besser nicht ein. „Das ist nicht Ihre Aufgabe!“, heißt es, und bedrohlich: „Was mischen Sie sich bei uns ein?“. Zuständigkeitswirrwarr, Insellösungen und Aufgabenfragmentierung: in Silo-Organisationen völlig normal. Missverständnisse, Wissensverluste und ein irrer Abstimmungsaufwand sind üblich. Niemand darf übergangen werden. Und ständig muss man warten, bis andere mit ihrer Zuarbeit fertig sind.

Manches wird doppelt, anderes gar nicht erledigt. Einiges bleibt ewig liegen, das meiste wird in unterschiedlicher Qualität abgeliefert. All der Ärger führt zu Spannungen, zu Frust und Resignation. In der Folge strengt sich niemand mehr an, für „die da“ schon gar nicht. Im Abarbeitungsmodus erledigen die Silo-Bewohner, was erledigt werden muss, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Doch „Dienst nach Vorschrift“ kann keine Kunden begeistern. Wenn aber die Kunden nicht mehr kommen und kaufen, gibt es bald kein Unternehmen mehr.

Silo-Strukturen erzeugen Effekte, die Wertschöpfung zerstören

Silos sind immer ein Warnsignal. Sie verursachen Systembrüche, sodass die Dinge nicht störungsfrei fließen. Unkoordinierte Jahresziele und falsch aufgesetzte Incentive-Programme verstärken diesen Effekt. Silo-Strukturen und die damit verbundene Mammut-Bürokratie sind die größten Ineffizienzen, die sich die Corporates heute noch leisten. Sie erzeugen Hauptverwaltungen, in denen hauptsächlich verwaltet wird, und Wasserköpfe, die Wertschöpfung verhindern.

Sie verursachen enorme Kosten, blockieren den Fortschritt und verjagen die so essenziellen Übermorgengestalter. Junge, ambitiöse Top-Talente tun sich die mühsame Arbeit in Silo-Strukturen gar nicht erst an. Und solange Silo-Strukturen bestehen, kann auch Kundenzentrierung nicht wirklich gelingen. Kundenzentrierung braucht eine interdisziplinär synchronisierte Arbeitsorganisation. Eine Customer Journey, die Kaufreise des Kunden, verläuft immer quer durch die gesamte Unternehmenslandschaft. Silo-Formationen passen da nicht.

In Bezug auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Bürokratieabbau und Innovationen und ist es das Gleiche. Nichts davon darf man in eine Abteilung sperren. Vielmehr muss all das interhierarchisch und crossfunktional, ja sogar transfunktional funktionieren. Wenn sich in der Außenwelt alles miteinander vernetzt, dann muss das auch drinnen im Unternehmen passieren. Ergo: Die Silos müssen schleunigst weg. Sie versperren den Weg in die Zukunft.

Transformationstheater: leider nur verbal aufgeschlossen

Natürlich höre ich die, die mir erklären, bei Ihnen sei vieles längst anders. Man führe jetzt transformational und nutze agile Methoden. Das ist sehr zu begrüßen. Doch schaut man genauer hin, passiert das meiste nur punktuell. Zudem beschränkt sich das Vorgehen auf die Mitarbeiterseite, die Arbeitsplatzgestaltung und neue Arbeitstools. Das Wesentliche aber bleibt unangetastet. So heißt es seit Jahren, dass Silo-Strukturen aus der Zeit gefallen sind und nicht mehr funktionieren. Doch (fast) niemand reißt die eigenen Silos konsequent ein.

Viele Manager inszenieren sich zwar als veränderungsfreudig, doch sie drehen nur an kleinen Schräubchen, nicht am großen Rad. Vieles bleibt im „Eigentlich müsste man“ stecken und hat zu wenig Wumms. Um ihre Quartalsergebnisse zu retten und so ihren Status zu sichern, schützen Obere den Bestand. So versuchen sie, eine Zukunft aufzuhalten, die sich nicht aufhalten lässt. Immer größere Umsetzungsdefizite sind die Folge. Nicht nur einzelne Unternehmen verpassen den Anschluss, in immer mehr Rankings wird ganz Deutschland zum Schlusslicht.

Die erste Erkenntnis der Silo-Vorsteher müsste demnach folgende sein: Die wahren Verhinderer, das sind wir selbst. Leider ist mit dieser menschlichen Größe nur selten zu rechnen. Ihr bester Trick: Verbale Aufgeschlossenheit bei anhaltender Verhaltensstarre. Sie spielen Transformationstheater. Es bringt zum Beispiel rein gar nichts, wenn ein selbstorganisiertes Team im Schnellsprint ein Kundenprojekt bis zur Umsetzungsreife entwickelt, dieses Projekt dann aber wochenlang in einem klassischen Toplevel-Entscheidungsgremium hängenbleibt.

Suchen und finden: die minimal notwendige Ordnungsstruktur

Da, wo es keinen grundlegenden Erneuerungswillen gibt, kommen die meisten guten Ideen über das Stadium des Zettelchenklebens nicht hinaus. Und da, wo sich Pilotteams neu ausrichten und autonom arbeiten dürfen, verpufft deren Transformationsenergie, sobald sie auf ein verkrustetes Grundgerüst treffen. Solange die organisationale Basis nicht angefasst wird, wird ein Großteil der Agilisierungsbemühungen wirkungslos bleiben.

Gegen das schlanke, smarte, schnelle, mutige Vorgehen in modernen Unternehmenskulturen haben die Old-School-Apparatschiks mit ihrer Absicherungsmentalität, ihren langatmigen Prozessen und ihren behäbigen Entscheidungsrunden nicht den Hauch einer Chance. Insofern stellt sich der Führung in tradierten Unternehmen eine alles entscheidende Frage:

Was ist für uns die minimal notwendige Machthierarchie, die minimal notwendige Ordnungsstruktur und die maximal mögliche Form der Selbstorganisation?

Passende organisationale Strukturen machen bahnbrechend neue Geschäftsideen ja überhaupt erst möglich. Für die „Future Economy“, in der sich menschliche und künstliche Intelligenzen miteinander verbinden, wird eine „Future Organisation“ gebraucht. Kreise sind ein typisches Merkmal solcher Organisationen.

In Kreisen rund um Branchen, Kunden, Produkte, Funktionen

Marktorientierung kann nur dann wirklich gelingen, wenn auf dezentrale Führung und crossfunktionale Strukturen umgestellt wird. Hierbei strukturiert man sich entlang der Kundenaufgaben. Die Mitarbeitenden gruppieren sich in „Circles“, also in Kreisen um Branchen, Kunden, Produkte oder Funktionen. Dazu werden passende Kompetenzen über Abteilungsgrenzen hinweg für einen längeren Zeitraum zusammengeführt:

Entwickler, Designer, Produktions-, Marketing- und Serviceleute, Vertriebler, Logistiker und wer sonst noch wichtig ist, arbeiten als Team autonom an gemeinsamen Aufgabenstellungen, wodurch das Ganze an Tempo gewinnt und zur Freude der Kunden endlich wie aus einem Guss funktioniert.

Zwar gibt es auch in Kreisorganisationen oberste Führungsebenen, jedoch keine klassischen Silos. Im Kreis selbst gibt es keine Führungskraft, aber immer Koordinatoren, die mit anderen Kreisen interagieren. Wenn nötig, werden kreisexterne Fachleute konsultiert, um perfekte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.

Das Ergebnis: Wofür silobasierte Projektteams Monate brauchen, schaffen selbstorganisierte Kreisteams in Wochen. Solche Schnelligkeit ist in Hochgeschwindigkeitszeiten ein Muss. Kein Kunde wartet ewig, bis eine Anbieterfirma endlich in die Pötte kommt. Er zieht weiter zu denen, die schneller, bequemer, innovativer und dank einer schlanken Struktur produktiver agieren.

Mehr zum Thema in: Die Orbit-Organisation. In 9 Schritten zum Unternehmensmodell für die digitale Zukunft

Und hier der Link zur Studie vom FAZ-Institut und Sopra Steria.

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