Auch, wenn es nicht immer den Anschein hat: Unternehmen, die den Planeten aktiv zerstören, sind sterbende Unternehmen. Denn in solche Industrien wird schon bald niemand mehr investieren. Überalterte und damit oft umwelttoxische Produkte wird bald niemand mehr kaufen. Und in Unternehmen mit einer rückständigen, nichtnachhaltigen Unternehmenskultur wird bald niemand mehr arbeiten wollen. Jeder der klug ist, verlässt die sinkenden Schiffe. Und lautstark wird die Welt davon erfahren.
Am Anfang steht bewusstes Hinterfragen
Stellen Sie sich vor, das stünde in Stellenanzeigen:
- Wir suchen Designer (w/m/d), die Kleidungsstücke entwerfen, die nie getragen, sondern gleich wieder verbrannt werden.
- Wir suchen Experten (w/m/d), die Verfahren so gestalten, dass fruchtbare Böden sich rasch in Ödland verwandeln.
- Wir suchen Spezialisten (w/m/d), die Materialien herstellen, durch die die Menschheit ernsthaft erkrankt und stirbt.
- Wir suchen Entwickler (w/m/d) für Chemikalien, die Flüsse, Seen, Meere und unser Grundwasser verseuchen.
So etwas ist gemeingefährliche Arbeit. Doch bei Licht betrachtet passiert in manchen Unternehmen genau das, sie formulieren es nur etwas anders. Oder sie sind Teil eines solchen Systems, schließen aber vor dem Ausmaß dessen, an dem sie beteiligt sind, lieber die Augen. Dennoch brauchen sie Beschäftigte, die sich mit solch fragwürdigen Zwecken befassen: Chemiker und Ingenieure, die das Gewünschte entwickeln, Sales- und Marketingleute, die es verkaufen und Personaler, die dafür Leute einstellen.
Der Wind ist längst dabei, sich zu drehen
Haben sie die Wahl, entscheiden sich immer mehr Menschen lieber für ein Unternehmen, das gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Sie kaufen bewusster ein und recherchieren vorweg. In ihren Online-Communitys tauschen sie sich intensiv aus. Nichtnachhaltige Marken und Anbieter verlieren so nach und nach die Kaufkraft ganzer Bevölkerungsgruppen.
Ich wollte mir selbst ein Bild davon machen und habe dazu letzte Woche auf LinkedIn eine kleine Umfrage gestartet, wobei es mir zunächst um die grundsätzliche Haltung ging. „Wenn ihr kauft und konsumiert, achtet ihr dann auf die Umwelt- und Klimafreundlichkeit der Produkte?“ Ja, ist mir wichtig, sagten 73%. Nein, ist mir egal, sagten 27%. Das Ergebnis ist zwar nicht repräsentativ, aber dennoch sehr deutlich.
„Für unsere Kunden gilt das aber nicht, nachhaltig kaufen, das interessiert sie nicht“, sagte mir einer. Er wollte einfach nicht sehen, was längst Wirklichkeit ist. Das könnte Überraschungen geben. Im B2B-Bereich arbeiten viele Unternehmen nur noch mit Partnern zusammen, die nachhaltig agieren – und das auch beweisen können. Wem das nicht gelingt, wird nicht mal mehr zu Ausschreibungen zugelassen.
Das „Climate Quitting“ nimmt merklich zu
Auch immer mehr Mitarbeitende werden sich gut überlegen, wen sie mit seiner Arbeit voranbringen wollen – und wen lieber nicht. „Dar-Lon Chang arbeitete 16 Jahre lang als Ingenieur bei ExxonMobile. Er hatte lange daran geglaubt, dass das Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen und dabei helfen könnte, fossile Energieträger zu reduzieren. Als er merkte, dass das nicht passiert, kündigte er.
Bei Royal Dutch Shell gingen mehrere hochrangige Führungskräfte, weil der Ölkonzern nicht schnell genug auf emissionsfreie Energieformen umschwenken wollte. Robbie Bilsland, der fünf Jahre lang in Europa und dem Mittleren Osten auf Bohrinseln arbeitete, kündigte, weil er diese Arbeit nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren konnte“, hat die Journalistin Sara Weber recherchiert.
Umweltsünder finden keine jungen Talente mehr, weil die dort nicht arbeiten wollen. Beschäftigte verlassen ein Unternehmen inzwischen in Scharen, wenn es sich an der Umwelt versündigt oder dessen soziales Verhalten inakzeptabel und der Geschäftszweck fragwürdig ist. „Conscious Quitting“ wird das genannt. Manche tun dies nicht still und leise, sondern posaunen es laut und vernehmbar heraus.
Dieses Phänomen heißt „Loud Quitting“. Auch Celebritys wie der Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel schrecken nicht davor zurück. „Ich begann irgendwann mich dafür zu schämen, mit meiner Arbeit dazu beizutragen, die Umwelt zu belasten“, enthüllt er in einem Interview mit dem Wochentitel Die Zeit. Bravo, kann ich nur sagen. Mit medienwirksamen Boykott-Aktionen kann jeder ein Vorbild sein.
Klimaschänder haben die rote Karte verdient
„Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass schon jemand anderes ihn rettet“, hat der britische Polarforscher und Umweltschützer Robert Swan einmal gesagt. Doch keine Sorge: Immer mehr Menschen zeigen sich als verantwortungsvolle Weltenbürger, die Umweltsündern die rote Karte zeigen. Ihre kollektive Macht kann über das Web eine breite Öffentlichkeit mobilisieren – und Dinge schlagartig ändern.
Als Konsument beschließen wir mit jedem Einkauf, jeder Mahlzeit, jeder Reise, jeder Entscheidung des täglichen Lebens, welche Welt wir in Zukunft für uns und andere wollen. Als Anleger bestimmen wir, wen wir mit unserem Geld unterstützen. Und jeder profilierte Influencer, der seine Stimme kraftvoll erhebt, kann das Notwendige sinnvoll verändern, wenn er ökologisch bewussten, sozialverträglichen, ressourcenschonenden „guten Konsum“ propagiert. Wir shoppen uns sonst den Planeten kaputt.
„Kauf keinen Scheiß bei scheiß Unternehmen“, schreibt der Purpose-Unternehmer Waldemar Zeiler in „Unfuck the Economy“. Schon bald werden wir es für die Pflicht eines jeden halten, öffentlich kundzutun, wenn ein Produkt nicht funktioniert, wie versprochen, wenn der Service miserabel ist, wenn Umweltfrevel begangen werden.
Das De-fluencing ist auf dem Vormarsch
Das De-Influencing, also in großem Stil abzuraten und sein komplettes Netzwerk gezielt zu warnen, wird zum Trend. Via Boykott-Hashtags stehen Marken und Unternehmen, die ökologische und soziale Themen missachten, längst im Fadenkreuz allgemeiner Kritik. Der Empörungswille ist groß – und vieles geht ruckzuck viral.
Wer uns ruchlos die Zukunft versaut, wird schonungslos an den Online-Pranger gestellt. Rührige Anti-Fans können einen in Windeseile zu einer Hate Brand, einer Hass-Marke machen, indem sie das Prinzip der sozialen Ansteckung nutzen. So verschwindet man schnell vom Einkaufszettel ganzer Massen. Weil Geldscheine Stimmzettel sind.
Digitale Netzwerke sind, wie wir wissen, sehr machtvoll. Sie verstärken immer, was in sie eingespeist wird. Und sie intensivieren die Persönlichkeit eines Unternehmens – im Guten wie auch im Schlechten. So entscheiden zugleich die Mitarbeitenden und die Kunden über die Zukunft eines Unternehmens maßgeblich mit.