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Nachhaltigkeit Unternehmensführung Zukunft

Sind wir auf Ab-in-die-Tonne konditioniert? Schluss damit!

Einst war es ein Zeichen von Glück, wenn man ein Hufeisen fand. Denn es bestand aus Eisen, einem sehr wertvollen Metall. Neue Städte wurden mit dem Baumaterial früherer Städte errichtet, schon in der Antike. Bronze wurde über Jahrtausende immer wieder eingeschmolzen, um etwas Neues daraus zu machen. So haben die Menschen schon immer wiederverwendet, was wiederverwendbar war.

Doch irgendwann, vor nicht langer Zeit, gaben wir dieses Vorgehen auf. Wir wurden zu einer Wegwerf-Gesellschaft – in gigantomanischem Stil. „Kaufen für die Müllhalde“ wurde zur neuen Verbraucher-Routine und „Wegwerfen statt Reparieren“ zu einem Standardreflex. Selbst Städte und Gemeinden fielen auf diesen Mechanismus herein: Brücken wurden nicht saniert, es wurden für riesige Summen neue gebaut.

Das Endstation-Müllberg-Komplott

Das Schlimmste an der Wegwerf-Gesellschaft: Schon unsere Jüngsten werden systematisch an dieses System herangeführt, man beobachte nur mal das Getue auf einem Kindergeburtstag. Übrig bleibt ein Abfallberg aus Geschenkpapier, Plastikmüll und angegessenen Süßigkeiten. Und bei jedem Geburtstag passiert reihum das gleiche, weltweit Millionen Mal. Für den Kommerz: perfekt. Für die Umwelt: perfide. Klar wünschen wir den Kleinen eine tolle Feier, aber muss es mit solchem Beiwerk sein?

Der immense Schaden, der durch eine Ab-in-die-Tonne-Wirtschaft entsteht, wird nicht von den Unternehmen getragen, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt. Und als Verbraucher sind wir quasi gezwungen, einen oft sozial und/oder ökologisch bedenklichen Gegenstand zu erwerben und schon bald zugunsten von etwas Neuem wieder loszuwerden. Indem wir kaufen und konsumieren, werden wir notgedrungen zu Mittätern eines Endstation-Müllberg-Komplotts.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Was wir Wertschöpfung nennen, ist in Wirklichkeit eine systematische Ressourcenvernichtung. Symptomatisch dafür steht das Phoebuskartell. Heimlich trafen sich vor Jahren die führenden Glühlampenhersteller in einem Hinterzimmer in Genf. Sie steckten in einem Dilemma. Die Qualität ihrer Glühbirnen war mit der Zeit immer besser geworden. Die durchschnittliche Brenndauer lag bei 2500 Stunden.

Wer aber den Markt mit perfekten Produkten sättigt, entsorgt sich am Ende selbst. So kamen die Anwesenden überein, nurmehr Glühbirnen zu produzieren, die maximal 1000 Stunden brannten. Wer dem zuwiderhandelte, musste mit hohen Bußgeldern rechnen. Das zu diesem Zweck gegründete „1000 Hours Life Committee“ sollte dies rigoros überwachen. Die geplante Obsoleszenz war erfunden.

Wie geplante Obsoleszenz funktioniert

Bei einer geplanten Obsoleszenz sorgen eingebaute Zähler, vorkonstruierte Schwachstellen, chemische Manipulationen und minderwertige Materialien für eine vorausbestimmte Unbrauchbarkeit. Sprich: Um die Nachfrage zu steigern, werden mit voller Absicht Produkte mit verkürzter Lebensdauer und vorzeitig einsetzendem Verschleiß produziert.

Das Auto hat ständig kleine Defekte? Der Drucker oder Küchengeräte gehen kurz nach der Garantiezeit kaputt? Eine Reparatur lohnt sich nicht oder ist zu kompliziert? Die Ersatzteilbeschaffung kann Monate dauern? Der wahre Grund: Wir sollen ein neues Teil kaufen.

Und das sind nur ein paar Tricks von vielen. Verfrühte Verfallsdaten bei Lebensmitteln, nicht austauschbare Akkus, Feature-Updates, die auf Vorgänger-Geräten nicht funktionieren, Überdosierung, Retourenvernichtung, ständig neue Designs, der ganze Ramsch und das Billig-Geschrei, all das soll den Konsum schneller machen.

Hinzu kommen Modediktate, die uns uncool und altbacken aussehen lassen, sobald ein neuer Trend angesagt ist. „Fast Fashion“ hat den Konsumwahn auf die Spitze getrieben: alle paar Wochen eine neue Kollektion. Und die Hälfte davon wird niemals getragen. Eine gigantische Umweltbelastung. Ist den Herstellern aber wohl egal.

Wir zehren auf, was unseren Kindern gehört

Bis 1970 war der Planet noch okay. Der globale ökologische Fußabdruck lag innerhalb dessen, was die Erde uns schenkt.[i] Seitdem übersteigt der jährliche Verbrauch die zur Verfügung stehenden Ressourcen bei Weitem. In nur 50 Jahren haben wir unseren Heimatplaneten derart geplündert, dass er sich kaum mehr erholen kann.

Wir nennen uns Homo sapiens sapiens, der sehr weise Mensch. Weise Menschen betreiben nicht Ausbeutung und Zerstörung, sondern Hege und Pflege. Eltern haben immer gewollt, dass es ihrem Nachwuchs einmal besser geht. Wir sind offensichtlich die erste Generation, die das nicht mehr will. Wir sind wohl auch die letzte Generation, die das noch umdrehen kann.

Sechs der neun planetaren Grenzen, die für den Erhalt der menschlichen Existenz wichtig sind, sind bereits überschritten.[ii] Zudem, geradezu paradox: Ökologisch Sinnvolles ist teuer. Was hingegen die Umwelt kaputt und uns krank macht, ist billig. Das Ergebnis: Erschöpfte Menschen und ein erschöpfter Planet. Während manche sich hierzulande über Minimalverzichte beklagen, zehren wir auf, was unseren Kindern und Enkeln gehört.

Sondersendungen zum Erdüberlastungstag?

Jährlich errechnet das Global Footprint Network den Earth Overshoot Day, den Erdüberlastungstag. Es ist der Tag, an dem die Menschheit verbraucht hat, was für ein ganzes Jahr reichen müsste. 2024 war das am 1. August.

Der German Overshoot Day war 2025 am 3. Mai. Das bedeutet: Wäre der Ressourcenverbrauch der gesamten Weltbevölkerung so groß wie in Deutschland, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, bräuchten wir drei Erden. Hat es Sondersendungen dazu gegeben? I wo! Außerhalb der Nachhaltigkeitsbubble hat das anscheinend kaum jemand mitbekommen.

Schlimmer noch: Wir erleben gerade einen Sustainability-Backlash. Vielerlei traditionelle Unternehmen und eine interessenfehlgeleitete Wirtschaftspolitik suchen ihr Heil in einem Vorgehen, das die Rückkehr zu fossilen Vorgehensweisen favorisiert. Neue Technologien kommen nicht in Gang, weil man die alten Industrien retten will.

Umweltschänder und ihre Interessen

Betriebsstörungen durch Wetterextreme, Materialknappheit, unterbrochene Lieferketten und Produktionsausfälle durch den Klimawandel, all das ist längst Normalität. Womöglich bekommen wir schon bald die ersten klimabedingten Lockdowns. Dennoch werden umweltzerstörende Technologien von starken Interessengruppen weiterhin aufrechterhalten, leider wirkungsvoll lobbyiert und mit Milliarden subventioniert.

An Land sorgen eine systematische Abholzung, die Desertifikation einst fruchtbarer Böden und achtlose Grundwasserverseuchung für die weltweite Zerstörung riesiger Lebensräume. Immer mehr Teile der Weltmeere sind Todeszonen, in denen rein gar nichts mehr lebt. Es gibt dort nur noch Plastik und Abfall. Selbst das All um die Erde herum ist mit Weltraumschrott zugemüllt.

„Wir leben in einer Welt, in der eine vergleichsweise kleine Gruppe von Personen, Unternehmen, Institutionen große Macht ausübt – allen voran die Öl-, Gas- und Kohlebranche. … Sehenden Auges facht diese Gruppe eine Katastrophe an“, schreibt Christian Stöcker, einer der profiliertesten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands, in seinem sehr aufschlussreichen Buch „Männer, die die Welt verbrennen“.

Zum Glück: Positivbeispiele gibt es genug

Einer von vielen, der sich einer profitgetriebenen Umweltzerstörung entgegenstellt, ist Thomas Schori, der zusammen mit seinem Bruder ein Schweizer Familienunternehmen leitet, das Uhrenarmbänder herstellt. „Wir kennen inzwischen alle Bilder von Müllbergen am Strand oder Schildkröten, die sich in einem Plastiksack verfangen haben. Als Familienvater und Unternehmer habe ich mich gefragt, wie ich zur Lösung dieses Problems beitragen könnte“, erzählt er.[iii]

„Also versuchte ich, meeresgebundenes Plastik in Uhrenbänder zu verarbeiten. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung der Ostschweizer Fachhochschule ist uns dies gelungen.“ Seine 2019 gegründete Firma Tide Ocean verfolgt das Ziel, den Plastikmüll, der weltweit die Küstengebiete belastet, in Zusammenarbeit mit sorgfältig ausgewählten lokalen Partnern in den Kreislauf zurückzuführen.

Das Geschäftsmodell gibt Abfall so einen Wert, von dem alle entlang der Wertschöpfungskette profitieren: die betroffenen Küstenbewohner, die Sammler und Aufbereiter vor Ort, die Produzenten wie auch die Konsumenten. Inzwischen wird das recycelte Material für die Herstellung von mehr als 60 Markenprodukten in unterschiedlichsten Industrien verwendet.

So konnte das ursprüngliche Geschäftsfeld umsatzwirksam, sozialverantwortlich und zugleich umweltförderlich ausgebaut werden. Damit ist Tide Ocean eines von immer mehr Beispielen, die zeigen, wie sich Umweltschutz, gesellschaftliche Verantwortung und Wirtschaftlichkeit erfolgreich vereinen lassen.

„Grün“ ist das neue Normal

Auch wenn diejenigen mit dem vergreist-fossilen Mindset sich dagegenstemmen: Fortschritt lässt sich nicht am Fortschreiten hindern. Denn das Leben wird vorwärts gelebt. Nachhaltiges Handeln ist das neue Normal. Es ist lifestylig, clever und cool. Nicht-nachhaltiges Handeln hingegen ist töricht, gestrig, egoistisch, unangebracht. Dieses Narrativ sollte so schnell wie möglich herbeierzählt werden.

Es ist einfach nicht tolerabel, dass Geräte, Gebrauchsgegenstände und Massenartikel prinzipiell so konzipiert sind, dass sie schnellstmöglich auf der Müllkippe enden. Solche Produkte sind „unintelligent und unelegant – also das, was wir primitive Produkte nennen“, schreiben Michael Braungart und William McDonough in ihrem Weltbestseller „Cradle to Cradle“.

Achten wir also darauf, für wen wir unser Portemonnaie öffnen, wen wir mit unserer Arbeit unterstützen und wen wir für zukunftsfähiges Handeln belohnen. Klar, keiner rettet den Planeten allein. Wenn aber Millionen ihre Stimme laut erheben und das Nötige tun, kommt eine Menge zusammen.

Viel mehr zum Thema in meinem aktuellen Buch Zukunft meistern.

[i] https://de.wikipedia.org/wiki/Erd%C3%BCberlastungstag

[ii] https://www.deutschlandfunk.de/studie-planetare-grenzen-ueberschritten-lebensgrundlage-mensch-100.html

[iii] https://www.chemanager-online.com/news/mehr-als-nur-ein-material

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