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Fortan gilt: „Impact first“ statt „Maximalprofit first“

Neue, zukunftsweisende Formen des Wirtschaftens sind unumgänglich. Die alten haben eine erschöpfte Umwelt und erschöpfte Menschen hinterlassen. Mittelfristig wird sich die Geschäftstätigkeit in vielen Unternehmen substanziell ändern. Die Wandlung darf allerdings nicht nur wegen der Regulatorik erfolgen, sie braucht Überzeugung und inneren Antrieb. Insbesondere sollten wir kurzfristigen ökonomischen Erfolg weder mit langfristigen ökologischen noch mit sozialen Schäden erkaufen. Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss fortan stimmen, um zukunftsfähig zu sein.

Aufgeklärte Konsumenten, Toptalente und auch die Gesellschaft erwarten längst, dass ein Unternehmen hehrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und maximalen Profit. Sie wollen vielmehr wissen, welche Haltung ein Anbieter glaubhaft vertritt, wie er mit seinen Kunden und Mitarbeitenden umgeht und welchen Nutzwert er der Welt bringt. Zudem gibt es immer mehr Top-Talente, die „Sustainable Employer“ favorisieren.

Fortan geht es um die Vereinbarkeit von Gewinnstreben, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit, sprich, um die Balance von Profit, People und Planet. Bereits 1994 hat der britische Autor John Elkington dafür den Begriff der „Triple Bottom Line“ geprägt, wonach ein Unternehmen neben der ökonomischen auch eine ökologische und eine soziale Bilanz vorlegen soll. Achtbare Gewinne sind dann das Ergebnis.

Wer keinen „Impact first“ bietet, ist zunehmend in Gefahr

Mehr und mehr Organisationen streben nach einem Handeln, das ökonomisch und ökologisch und sozial sinnstiftend ist. Nicht, weil es im Trend liegt, sondern, weil es richtig und wichtig ist. Impact bedeutet, einen positiven Beitrag zu den großen globalen Herausforderungen zu leisten. Impact Companies orientieren sich an den von den Vereinten Nationen festgelegten 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung.

Gerade jetzt, da viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden wieder öfter ins Büro holen wollen, ist solches Handeln sehr verlockend. Denn nicht Obstkorb und Kicker, sondern Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind anziehend für High Performer, vor allem dann, wenn sie aktiv daran mitarbeiten können. Ein umweltfreundliches Engagement fördert den sozialen Zusammenhalt. Es wirkt sich positiv auf den Umgang miteinander und das Wohlbefinden aller aus. Es verbessert das Betriebsklima und stärkt das Wir-Gefühl.

Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit gehen zusammen

Wer seine Arbeitgeberattraktivität beleben und die gefragtesten Talente für sich gewinnen will, sollte ein existenzielles Interesse am Thema Nachhaltigkeit haben. Dabei geht es neben einer gesicherten Umweltstabilität auch um soziale Gerechtigkeit und gelebte Diversität. Hinzu kommt der Druck einer neuen Generation von Unternehmern, die davon überzeugt sind und tagtäglich beweisen, dass Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit keine Gegensätze sind, sondern zusammengehen.

Beim österreichischen Lebensmittelhersteller Sonnentor klingt das zum Beispiel so: „Wir von Sonnentor glauben fest daran, dass in der Natur die besten Rezepte für ein schönes und langes Leben liegen. Dafür arbeiten wir. Davon leben wir. Und wir glauben, dass die biologische Landwirtschaft die einzige Alternative zu den Folgen von Monokultur und Überproduktion ist. Der Kreislauf, das immer Wiederkehrende, das sich ständig erneuernde Leben ist unser Grundprinzip.“

Findige Startups: Beschleuniger in Sachen „grün“

Wo die Hersteller selbst keine nachhaltigen Dienste bieten, haben sich findige Drittakteure längst zu Vorreitern gemacht. Solche Märkte sind besonders für Premiumprodukte lukrativ. Ein Beispiel hierfür sind iPhones. Zwar hat auch Apple mit dem Recyceln begonnen. In Austin/Texas und im niederländischen Breda zerlegt Daisy, ein Demontageroboter von Wohnzimmergröße, Apples Mobiltelefone und holt die Rohstoffe heraus, die wiederverwertbar sind: Gold, Kobalt, Lithium und seltene Erden.

Doch Kreislaufwirtschaft ist weit mehr als nur recyceln. Zirkularität will Abfälle von Anfang an vermeiden bzw. das ganze Gerät so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf halten. Hierzu hat sich ein florierendes Geschäft für Reparaturen und Zweitnutzung etabliert. Unternehmen wie die 2017 in Wien gegründete Firma Refurbed füllen dabei nicht nur eine Lücke, sie kreieren einen Markt, den es zuvor gar nicht gab: Zwischen „neu“ und „gebraucht“ schiebt sich „erneuert“.

Das macht Elektrogeräte deutlich günstiger und zugleich nachhaltiger. Sie werden in bis zu 40 Schritten generalüberholt, sehen aus wie neu und funktionieren wie neu. Für ein iPhone 11 mit 64 GB Speicher macht Refurbed beispielsweise folgende Rechnung auf: Ein brandneues Gerät hat einen CO₂-Fußabdruck von 72 kg, ein „refurbished“ Handy einen von 15,7 kg. Dies entspricht einer Einsparung von 78 %. Die Einsparung von Elektroschrott beträgt 71 %, die von Wasser 86 %.

Externalitäten erzeugen Profit auf Kosten Dritter

Immer mehr Anbieter erkennen die strategische Rolle langlebiger Produkte für ihre Geschäftsmodelle. Sie beginnen mit Weitblick und Zukunftsgeist, zirkuläre Kompetenzen und emissionsreduzierende Infrastrukturen aufzubauen. Sie entwickeln langfristige ökologische Kooperationen mit spezialisierten Dienstleistern oder tun sich mit innovativen Startups zusammen. Andere hingegen tun hauptsächlich nur so als ob.

Ihre ESG-Units (Environmental, Social and Corporate Governance), oft bereits vor Jahren installiert, haben sich vielfach als zahnlose Tiger gezeigt. Vor ihren Augen werden weiterhin Externalitäten erzeugt und Klimaschutzversprechen gebrochen.

Wer Externalitäten erzeugt, erwirtschaftet Profit auf Kosten Dritter und schadet der Umwelt, ohne das zu kompensieren. Der Schweinebaron macht sein Geschäft auf Kosten leidender Tiere in Kastenständen. Der Lebensmittelriese lässt in großem Stil Urwälder roden, um billig an Soja und Palmöl zu kommen. Die Brunnen lokaler Kleinbauern versiegen, weil globale Konzerne die örtlichen Wasserrechte erkaufen.

Werden Corporates denn fürs Externalisieren belangt?

Ganze Industrien verfrachten die ausbeuterischsten Formen ihrer Produktion und ihren schmutzigsten Abfall in arme Länder – mit verheerenden Folgen für deren Menschen und Umwelt. Mit voller Absicht werden zu süße, zu salzige und zu fette Fertigprodukte in den Markt gebracht und verlogen beworben. Die Folgekosten der teils erheblichen Gesundheitsschäden trägt das eh schon angeschlagene Gesundheitssystem. Öl- und Gaskonzerne machen Milliardengewinne, indem sie wissentlich das Klima zerstören.

Werden die verursachenden Unternehmen dafür belangt? Bisher nicht. Vielmehr werden die Kosten solcher Externalitäten der Allgemeinheit, also uns Steuerzahlern, angelastet oder Dritten aufgebürdet, die sich nicht wehren können. Das bedeutet: Die Gewinne werden privatisiert und kommen nur einigen wenigen zugute. Die Schäden hingegen werden vergesellschaftet, auf die Ärmsten und Schwächsten abgewälzt, in den globalen Süden verlagert – oder zulasten künftiger Generationen in die Zukunft.

Externalisieren macht das Wirtschaften billig

Der Marktpreis eines nicht nachhaltigen Produkts ist oft niedriger, weil der Hersteller zum Beispiel biologisch nicht abbaubare Rohstoffe verwendet, in weit entfernten Ländern unter menschenunwürdigen Umständen produziert oder gnadenlos das Klima versaut. Wer etwa Schokolade großer Nahrungsmittelproduzenten kauft, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Kinderarbeit darin steckt.

Doch dies könnte bald vorbei sein. Eine internationale Menschenrechtsorganisation hat in den USA eine Sammelklage gegen mehrere Schokoladenhersteller eingereicht. Die Kläger aus Mali wurden als Kinder verschleppt und gezwungen, in der Elfenbeinküste Kakao zu ernten. Die beklagten Konzerne „profitieren weiterhin vom Verkauf billigen Kakaos, der von Kindersklaven geerntet wurde“, sagte ein Anwalt.

Wieso nachhaltig, gesund und fair Produziertes oft teurer ist

Wer externalisiert, tut dies zulasten Dritter. Die Produktion fairer, gesunder und umweltfreundlicher Produkte hingegen erfordert einen Mehraufwand, für den der Hersteller selbst aufkommen muss, wodurch sich seine Produkte verteuern. Dies führt dann etwa dazu, dass Bio-Ware kostspieliger ist, dass die Meere verseuchendes Einwegplastik billiger ist als Recyceln und unfairer Handel Fair Trade schlägt.

Immer noch werden deutlich mehr Steuergelder für klimaschädliche Subventionen eingesetzt als für klimafreundliche. Ein Beispiel gefällig? Die Mehrwertsteuer auf Fleisch liegt, weil es sich um ein Grundnahrungsmittel handelt, in Deutschland bei 7 % – auch für das besonders klimaschädliche Rindfleisch. Wer hingegen auf eine Veggie-Ernährung setzt, zahlt auf Grundnahrungsmittel wie Pflanzendrinks oder Fleischersatzprodukte den regulären Satz von 19 %. Das heißt zum Beispiel: Kuhmilch wird mit 7 % besteuert, Hafermilch mit 19 %.

Kleiner Ausblick in eine große, nachhaltige Zukunft

Eines Tages wird all das anders laufen: CO₂-Emittenten werden hoch besteuert. Kein Produkt wird mehr zugelassen, das einen negativen Beitrag zu den dann geltenden ökologischen und sozialen Standards leistet. Schäden, die sie der Umwelt und den Menschen zufügen, werden mithilfe einer ausgeklügelten Software den Verursachern zugerechnet und angelastet. Das bedeutet, sie werden haftbar gemacht und müssen Strafen zahlen. Damit werden ökologisch und sozial korrekt hergestellte Produkte sofort wettbewerbsfähig – und endlich weiträumig favorisiert.

Klimaschutz ist dann nicht länger ein lästiges Nebenziel, das die Gewinne schmälert. Vielmehr werden überprüfbar nachhaltige und zugleich faire Vorgehensweisen zu einem existenziellen Teil des Daseinssinns eines Unternehmens. Gute Gewinne sind dann das Ergebnis. Schlechte Gewinne werden auf Kosten der Umwelt und des Gemeinwohls gemacht. Gute Gewinne entstehen in Einklang mit Mensch und Natur. Den Unternehmen, die das nicht bieten, werden bald drei Dinge ausgehen: die Innovationen, die Leistungsträger und die Einnahmenbringer.

Viel mehr dazu in meinem neuen Buch „Zukunft meistern„.

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