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Die Märkte der Zukunft: verstehen und aktiv gestalten

Weshalb es so viele Unternehmen nicht in die Zukunft schaffen? Symptomatisch dafür ist die Geschichte einer Schreibmaschine. Sie sah gut aus und war ihrer Zeit um Jahre voraus: die Smith Corona PWP 40. Eine ultrakompakte Schreibmaschine, mit der man Rechtschreibkorrekturen ausführen, Suchen/Ersetzen-Befehle eingeben und in Laserqualität drucken konnte. Ein kompaktes kleines Büro sozusagen.

Smith Corona war ein weltweit führender Schreibmaschinenhersteller, hatte Top-Manager mit Bravour-Abschlüssen von Elite-Unis an Bord und war stets gierig auf Innovationen gewesen. 1989 betrug der Umsatz satte 500 Millionen Dollar. 1990 erkannte man den Trend zum PC und ging in Partnerschaft mit Acer. Doch schon ein Jahr später, als der Markt rauer und die Zahlen schlechter wurden, war damit Schluss.

Man wolle sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren, hieß es. „Viele halten Schreibmaschinen und Textverarbeitungsprogramme für so veraltet wie Pferdekutschen und Pferdepeitschen. Doch das ist nicht der Fall. Es gibt nach wie vor einen starken Markt für unsere Produkte in den USA und der ganzen Welt“, erläutert CEO G. Lee Thompson diesen Schritt. Das war 1992. 1995 ging die Firma pleite. Acer hingegen avancierte zu einem der größten Computerhersteller.

Die Muster des Niedergangs ähneln sich oft

„Das Alte ist doch noch gut genug, heißt es, weshalb sollen wir innovieren?“ Solche Aussagen höre ich oft. Vormals war man blendend aufgestellt, die Kunden mochten, was man tat und auf einmal ist – Überraschung – damit Schluss. „Die Zukunft macht leicht Narren aus den Unbelehrbaren, die sich zu lange an alte Gewissheiten klammern“, ruft der große Managementdenker Gary Hamel uns zu.

Ihnen kann das nicht passieren? I wo, es kann jeden treffen. Aber wieso? Das ist schnell erklärt: Der etablierte Anbieter ist Experte für eine Technologie, sagen wir Schreibmaschinen. Bei ihm arbeiten lauter Schreibmaschinen-Experten. Wird dieser Anbieter nun angegriffen, verstärkt er seine Anstrengungen in seiner Kernkompetenz, wird also mehr vom Alten noch besser machen, weil es das Einzige ist, was er kann.

Zugleich wird er die Stärken des Neuen herunterspielen, weil er sie selbst nicht hat – oder, schlimmer noch, weil er sie nicht mal als disruptive Alternativen erkennt. So werden die alten Gewinner zu den neuen Verlierern. Jeder kennt doch die Geschichte von Nokia. Aber die meisten Manager glauben, ihnen könne das nicht passieren. Sie lachen über Nokia und merken nicht, dass sie selbst das nächste „Nokia“ werden.

Uns plagt kognitive Zukunftskurzsichtigkeit

Angst vor Veränderung ist zwar menschlich, doch im Wirtschaftsleben fatal. Leider ist es ein Automatismus unserer Gehirnarchitektur. Wird es brenzlich, ziehen wir uns auf gewohnte Verhaltensmuster und erprobte Routinen zurück. Bedrohung fabriziert den berüchtigten Tunnelblick. Dabei wird der Aufmerksamkeitsfokus verengt, Peripheres gerät außer Sicht, wir bleiben lieber auf vertrautem Terrain.

Ein weiterer Grund nennt sich kognitive Zukunftskurzsichtigkeit. Zukunft klingt nach irgendwann. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit“, heißt es zum Beispiel, „das nächste Quartal steht vor der Tür, und die Zukunft läuft uns ja nicht davon.“ Reaktiv befasst man sich beinahe nur noch mit dem, was gerade ansteht, arbeitet immer am Anschlag – und neuartige Innovationen ziehen an einem vorbei. Wie kann das sein?

Man war doch blendend aufgestellt! Und nun ist es „schlagartig“ zu spät. Zukunftstechnologien kommen „plötzlich“, nun fehlen „unerwarteterweise“ die nötigen Fachkräfte und Weiterbildungskonzepte. Irgendwie ist man immer hintendran. Die Adaptionsspanne sinkt, der Stress steigt, die Nerven liegen blank. Während draußen alles immer schneller wird, laufen die Unternehmen allem immer mehr hinterher.

Die First Mover sind längst unterwegs

Die neuen Player der Wirtschaft begeben sich erst gar nicht auf Aufholjagd. Sie versuchen auch nicht, alte Technologien aufzupeppen. Sie überspringen sie einfach. Herkömmliche Branchengesetze sind ihnen komplett egal. Unbekümmert kreieren sie die Dinge völlig anders und neu. Dabei entstehen Innovationen, die die Welt so umfassend verändern wie niemals zuvor. Mit Nischengespür ergreifen sie jede Chance, die sich durch die voranschreitende Digitalisierung ergibt. So haben sie längst eine Parallelwelt erschaffen, die sich der Old Economy höchstens ansatzweise erschließt.

Der digitale Umbruch fegt fast alle vertrauten Spielregeln hinweg. Unerwartete Ereignisse lauern an jeder Ecke. Permanente Vorläufigkeit ist die neue Normalität. „Für die Zukunft wird offenbar eine nächste Stufe der organisatorischen Intelligenz erforderlich: die Bildung von horizontalen, hierarchie- und bereichsübergreifenden Netzwerken, in denen Einzelne und Teams in freier Dynamik miteinander kooperieren“, schrieb der Systemforscher Peter Kruse bereits vor einer Dekade.

„72 Prozent der deutschen Unternehmen haben kein klares Bild von der Zukunft und keine Prozesse, um dieses zu erreichen“, so der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky. Der Erfolg von gestern sagt rein gar nichts über den Erfolg von morgen. Und „später“ ist in Hochgeschwindigkeitswildwasserzeiten sehr schnell zu spät. Nur durch kontinuierliches, kühnes, proaktives Weit-nach-vorne-Denken schafft es ein Unternehmen, sich fit für die Zukunft zu machen. Wie das gelingt? Indem wir uns frühzeitig mit Zukunftsthemen befassen und Zukunftsbilder kreieren.

Den Unternehmen fehlt ein Zukunftsbild

Zukunftsbilder kreieren? Für welche Zukunft denn überhaupt? Niemand, wirklich niemand kennt die Zukunft. Doch wir können versuchen, ihr die Ungewissheit zu nehmen, indem wir Hypothesen erstellen für eine Zeit, die noch nicht da ist. Zunächst denkt man sich in den langfristigen Zeithorizont rein. So haben Futurologen und Zukunftsforscher mithilfe wissenschaftlicher Methoden Szenarien für eine Vielzahl von Technologien und Industrien entwickelt.

Solche Szenarien sind keine Prognosen, sondern spekulative Zukunftsbilder, die zum Nachdenken anregen sollen. Indem man sich damit befasst, springt man raus aus der Filterblase der eigenen Wahrnehmung und bleibt kontinuierlich an den Trendthemen dran. Jährliche Strategiemeetings und Jahresplanungen reichen längst nicht mehr aus. Dreimonatige Updates sind Minimum, damit das Neue im gesamten Unternehmen rasch Fuß fassen kann.

Trendanalysen, Online-Recherchen, Insights aus fortschrittlichen anderen Branchen, Gespräche mit Zukunftsexperten und denen, die neue Technologien in die Welt bringen, bilden die Grundlage für die Vorausschau. Wen Sie nicht befragen: Ihre Kunden. Diese können zwar sagen, was ihnen heute fehlt, aber nicht, was sie in fünf oder zehn Jahren wollen werden. Sie sind, so wie die meisten Führungskräfte, keine Experten für Zukunftstechnologien und können deshalb keine Prognosen abgeben.

Die 10 Schritte einer Szenarioplanung

Ziel der Szenarioplanung ist es nicht, exakte Vorhersagen für die Zukunft zu machen. Man verknüpft vielmehr bereits bekannte Trends mit mutmaßlichen Einflussfaktoren in Bezug auf Wirtschaft, Technologie, Umwelt, Politik, Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Kundenverhalten. Im Ergebnis geht es um eine differenzierte Sicht auf mögliche Zukünfte und Handlungsfelder, die das Unternehmen daraus ableiten will und kann.

Um dies in Gang zu bringen, empfehle ich folgende Schritte:

  1. Future Team zusammenstellen
  2. Eine Ausgangsfrage formulieren
  3. Die Zielzeitachse bestimmen
  4. Maßgebliche Trends erforschen
  5. Veränderungskräfte identifizieren
  6. Mögliche Szenarien entwickeln
  7. Future Personas konzipieren
  8. Passende Handlungsfelder fixieren
  9. Die Zukunftsstrategie definieren
  10. Umsetzungspläne initiieren

Wie all das ganz genau funktioniert, steht in meinem neuen Buch „Zukunft meistern“.

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