Jeder Mensch verfügt sowohl über intro- als auch über extrovertierte Eigenschaften, wir alle sind Intro-Extro-Mischungen. Menschen, die eine sehr ausgewogene Mischung von Intro- und Extro-Merkmalen aufweisen, heißen unter Psychologen ambi- oder zentrovertiert. Intro- und Extro-Merkmale gehören zum Kern der Persönlichkeit, die nur wenig veränderlich sind.
Unsere Verortung auf der Intro-Extro-Skala ist angeboren, prägt sich aber erst während des Heranwachsens im Kontakt mit anderen Menschen endgültig aus, denn das Gehirn ist mit der Geburt noch nicht voll entwickelt und formt sich erst im sozialen Miteinander.
Als Carl Gustav Jung 1921 die beiden Persönlichkeitstypen beschrieb, ahnte er nicht, dass sich die Unterschiede einmal mit messbaren Werten im Gehirn erfassen lassen würden. Genau dies lassen heutige Verfahren zu. Um die beiden wichtigsten Unterschiede soll es hier gehen. Dabei gehe ich von ausgeprägten Intros und Extros aus, also solchen an den Enden der Skala: Übertreiben macht deutlich!
Nach innen oder nach außen gewandt?
Introvertiert heißt wörtlich „nach innen gewandt“; extra- oder extrovertiert bedeutet entsprechend „nach außen gewandt“. Das spiegelt sich in verschiedenen Teilen des Gehirns wider, auch im vegetativen Nervensystem – dem Teil des Nervensystems, der automatisch funktioniert und nur bedingt zu beeinflussen ist. Das vegetative Nervensystem verarbeitet inneren und äußeren Stress, und zwar in zwei Teilsystemen:
Der Sympathikus ist auf Leistung und Aktivität ausgerichtet; er bereitet den Körper auf Anstrengungen, Angriff oder Flucht vor. Zur Übertragung von Informationen nutzt der Sympathikus den Botenstoff Dopamin – eine körpereigene Glücksdroge. Extros werden stärker durch die Aktivitäten des Sympathikus geprägt. Sie haben auch einen höheren Dopaminpegel als Intros.
Der Parasympathikus (auch „Ruhenerv“ genannt) ist ein wichtiger Gegenspieler: Er sorgt für Entspannung, Erholung, einen sinkenden Herzschlag und für Ruhe. Sein Botenstoff ist das Acetylcholin. Intros werden stärker durch den Parasympathikus geprägt. Sie haben auch einen höheren Pegel an Acetylcholin als Extros.
Unterschiede bei Intro- und Extro-Hirnen
Intros haben eine stärkere Durchblutung in der vorderen Großhirnrinde und im vorderen Thalamus: dort, wo innere Vorgänge wie Erinnern, Lernen, Planen und Problemlösen verortet sind. Intros sind deshalb stärker mit der Verarbeitung innerer Vorgänge beschäftigt und haben dafür eine geringere Kapazität für Stimulationen, die die Sinneseindrücke liefern.
Extros dagegen sind für die Stimulationsverarbeitung bevorzugt ausgestattet: In ihren Hirnen ist der Bereich, in dem Sinneseindrücke ankommen und verwertet werden (im hinteren Thalamus und in der Inselrinde), deutlich stärker durchblutet als bei den Intros. Sie können deshalb besonders leicht äußere Eindrücke aufnehmen und verarbeiten.
Beides, die Ausstattung der Nervensysteme und die Art der Stimulationsverarbeitung, erklären, warum Intros und Extros unterschiedliche Bedingungen für Wohlfühlen und Energiegewinnung brauchen: Intros benötigen mehr Ruhe und eine geringere Reizdosis, Extros schätzen Aktivität und Stimulation durch die Außenwelt.
Der zweite Unterschied zwischen Intros und Extros ist im limbischen System angesiedelt. Dort ist die Amygdala, auch Mandelkern genannt, das Angstzentrum des Hirns, unter anderem für die Einschätzung von Gefahren und für Alarmbereitschaft zuständig. Intros haben eine leicht erregbare Amygdala, während Extro-Hirne schwächer auf Angstauslöser reagieren. So schätzen Intros einen gewissen Grad an Sicherheit und Berechenbarkeit.
Extros sind in einem anderen Teil des limbischen Systems leichter erregbar: im Belohnungszentrum (Nucleus accumbens). Sie sind deshalb empfänglicher für Belohnungen und Anreize: Sie lassen sich von attraktiven Zielen und dem Reiz des Ungewissen locken, lieben neue Erfahrungen und Überraschungen.
Wie Intros und Extros weiterempfehlen
Wenn sich die „Hardware“ von Intros und Extros unterscheidet – lässt sich daraus dann auch etwas für das Empfehlungsverhalten ableiten? Nicht jede(r) Intro oder Extro hat alle typischen Ausprägungen. Dennoch lassen sich aus meiner Sicht Trends ableiten. Ich nehme hier Anne Schüllers Aspekte zum persönlichen Empfehlungsverhalten auf:
1. Was wird empfohlen? Welche Produkte oder Themengebiete sind für die einzelnen Typen interessant?
2. Wo und wie wird empfohlen? Wie sieht das Kommunikationsverhalten der einzelnen Typen aus?
3. Welche Reichweite und Durchschlagskraft haben die einzelnen Typen? Wie und womit kann man beim jeweiligen Empfehlungsnehmer landen?
So sieht das aus bei Unterschied 1: nach innen – nach außen
Und so sieht das aus bei Unterschied 2: Sicherheit – Belohnung
Dies sind wie gesagt Trends. Doch Menschen sind vielschichtig und überraschend. Es ist ausgeschlossen, dass wir anhand von Typologien so transparent werden, dass unser Tun vorhersagbar wird. Und das ist auch gut so! Typologien bieten immerhin Orientierungshilfen. Und dies ist auch im Empfehlungsmarketing überaus wertvoll.