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Wie man „heilige Kühe“ mit einen „Elefanten im Raum“ vertreibt

Alle reden jetzt vom „New Normal“ nach Corona. Doch ein „Normal“ wird es nicht geben. Permanente Vorläufigkeit ist von nun an die Norm. Alles steht ständig zur Disposition. Alte Rezepte funktionieren nicht mehr. Der Erfolg von gestern sagt rein gar nichts über den Erfolg von morgen. Die wichtigste Fähigkeit, die ein Unternehmen fortan braucht, ist die konstante Bereitschaft zum Umdenken und Andersmachen.

Denn Gewissheiten gibt es für nichts und niemanden mehr. Unerwartete Ereignisse lauern an jeder Ecke. Wir wissen nicht, ob oder wann sie kommen, doch wenn, dann kommen sie schnell. Sie werden Risiken und Chancen ganz neu verteilen. Nur die wendigen, flinken, pfiffigen, jederzeit anpassungsfähigen Marktplayer mit frischen, couragierten, unkonventionellen, marktrelevanten Ideen werden das überleben.

Überall auf der Welt definieren kühne Visionäre gerade das Mögliche neu

Am Anfang einer neuen Ära oder Technologie lässt sich höchstens erahnen, wo sie uns hinführt. Denn jede Innovation ist zugleich Anstoß für weitere Innovationen. Die fortwährende Neukombination bislang getrennter Industrien erzeugt vielerlei Wechselwirkungen, die man im Vorfeld gar nicht absehen kann. Durch die mannigfachen Möglichkeiten zunehmender Vernetzung entsteht quasi ein Eigenleben.

Jede technologische Verbesserung führt zudem dazu, dass die nächste Verbesserung rascher erreicht werden kann. In einem derart dynamischen, unvorhersehbaren Umfeld ist es unmöglich, im Voraus zu wissen, was funktionieren wird und was nicht. Längerfristige Prognosen werden unmöglich. Wer zögerlich abwarten will, wie sich das Ganze entwickelt, wird nicht schnell genug sein, um Vorsprünge Anderer einzuholen.

Im Neuland gibt es keine Erfolgsgarantien. Märkte, die noch nicht existieren, können nicht durchanalysiert, höchstens hoffnungsvoll voreingeschätzt werden. Ein Alptraum für den Controller. Der will keine Abenteuer, sondern exakte Zahlen und einen vorgezeichneten Plan, sozusagen eine Vollkaskoversicherung für neue Ideen. Das zwingt alle im Unternehmen zu Kleinmut und Ausbremseritis.

Old-School-Unternehmen stülpen die alte verhärtete Form über das Neue

Bestehende Systeme haben eine ausgeprägte Tendenz, die ihnen innewohnende Ordnung zu erhalten. Insofern scheitern dort Innovationssprünge, meint Ex-IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck, weil die Unternehmen sie „sofort in die festen Prozesse ihrer schon lange bestehenden Organisationen hineinpressen wollen. Sie stülpen die alte verhärtete Form über das Neue.“ Ein Beispiel dafür? Nehmen wir ein Startup, das in ein traditionelles Unternehmen inkorporiert wird.

Meist beginnt das Ganze damit, dass es von einem Bürokratiemonster heimgesucht wird, was die eigentliche Arbeit wochenlang völlig blockiert: Meeting-Marathons, endlose Abstimmungsprozesse, umfängliche Planungsrunden, Zuständigkeitswirrwarr, Reportingexzesse, vertagte Entscheidungen, Machtkämpfe, Grabenkriege, zermürbende Debatten mit Bedenkenträgern. Kurz: Die ganze Palette dessen, was in einer „normalen“ Company Usus ist, fällt über das arme Startup her.

Von Höchstleistungen kann schon bald keine Rede mehr sein. Kluge Köpfe lassen sich nun mal nicht gängeln. Im falschen Umfeld gehen sie ein wie die Primeln. Oder sie verlassen das Unternehmen zum erstbesten Zeitpunkt. Auch die Kunden fühlen sich bei den neuen Eigentümern nicht mehr wohl und ziehen von dannen. So machen Old-School-Unternehmen die wunderbaren „Spielzeuge“, die sie erworben haben, um fit für die Zukunft zu werden, einfach kaputt. Was bleibt, ist eine leere Hülle.

Was früher für den Erfolg entscheidend war, steht einem heute im Weg

Konservative Manager stützen ihre Entscheidungen auf „bewährtes“ Wissen und die „üblichen“ Tools aus der Werkzeugkiste des letzten Jahrhunderts. Das macht Transformationsversagen höchst wahrscheinlich. Denn damals dominierten berechenbare Absatzmärkte, die man planmäßig steuern und abschöpfen konnte. Doch der digitale Umbruch fegt fast alle vertrauten Spielregeln hinweg.

Wer Innovationen erschaffen will, die die Menschen tatsächlich in ihr Leben lassen, braucht eine Ausprobier- und Experimentierkultur, die das Neudenken und Andersmachendürfen für alle Beschäftigten zu einer Selbstverständlichkeit macht. In einem erstarrten System fehlt genau das. Nichts wird mehr gewagt, was schiefgehen könnte. Und je länger das anhält, desto schwerer wird es, das Ruder herumzureißen.

Wird alles nach Plan geregelt, wird man für Linientreue belohnt und für eine Punktlandung auf Vorgaben bonifiziert, ist es nur logisch, dass es keine Sprünge ins Neuland gibt. Wer in einem solchen Umfeld bestehen will, hat keinen Bock auf Experimente. Sie bergen das Wagnis des Scheiterns. Eine größere Fehlentscheidung, Budget in den Sand gesetzt, Zielzahlen nicht geschafft, und man ist Geschichte. Folgt man hingegen den Regeln und festgelegten Prozessen, hat man nichts zu befürchten.

„Elephant in the Room“, um die wahren internen Blockaden anzusprechen

Wer den Status quo einbetoniert, wird aussortiert: von Kunden, die mehr wollen als das, was es gestern schon gab – und von den „jungen Wilden“, die solche Kunden verstehen. Deshalb sorgen fortschrittliche Firmen dafür, dass Bestehendes regelmäßig auf den Prüfstand kommt, um mit unserer Hochgeschwindigkeitszukunft Schritt halten zu können. Das bedeutet zunächst, etablierte Mindsets und Vorgehensweisen infrage zu stellen. Eine Methode, um das in Angriff zu nehmen, heißt „Elephant in the Room“.

Warum Elefant? Weil es um etwas wirklich Großes geht: ein offensichtliches Problem oder offizielles Tabu, das zwar im Raum steht, über das man aber nicht spricht. So können mithilfe des „Elefanten im Raum“ endlich längst überfällige Diskussionen angestoßen werden. Stellen Sie den Anwesenden dazu zum Beispiel folgende Frage:

„Wenn es um unsere Zukunft geht, was sind die wahren Blockaden, über die zwar offiziell niemand spricht, worüber wir aber unbedingt reden sollten?“

Initiiert wird dieser Prozess am besten von jemandem aus dem obersten Führungskreis. Ein guter Moderator ist bei diesem Anlass unerlässlich. Um zu klären, ob alle auch wirklich offen und ehrlich miteinander reden können, ist es klug, vorab eine „Sicherheitsfrage“ zu stellen. Zeichnen Sie dazu auf eine Pinnwand eine Elfer-Skala. Dann kommt folgende Frage:

„Auf dieser Skala von null bis zehn: Wie frei denkt Ihr/denken Sie, in dieser Runde sprechen zu können?“

Die Pinnwand mit der Skala wird umgedreht, so dass die Teilnehmer ihre Bewertung anonym geben können. Damit jeder dabei unbeeinflusst ist, soll er die Zahl, für die er sich entschieden hat, auf einen Klebepunkt schreiben, bevor er hinter die Pinnwand tritt. Liegen viele der Punkte unter acht, wird das zunächst thematisiert, diskutiert und bereinigt. Danach ist das Feld frei für den eigentlichen „Elefanten im Raum“.

Mit dem „Elefanten im Raum“ lassen sich viele Tabu-Themen offenlegen

In jeder Organisation gibt es Probleme, die unübersehbar existieren, doch man spricht über sie nur hinter vorgehaltener Hand: Regeln, die längst überholt sind, Rituale, die keiner mehr braucht, unzeitgemäße Entscheidungsverfahren, vorgestrige Meetingstrukturen, prozessadipöse Bürokratie. Produkte, die niemand mehr will, werden am Leben erhalten, um die eigene Position abzusichern. Projekte werden künstlich aufgebauscht, um Ansehen und Einfluss zu stärken. Frühere Erfolge und etablierte Vorgehensweisen werden zu Zwecken der Selbstbestätigung glorifiziert.

Manager neigen zum Hinzufügen und Mehren, nicht zum Ausmerzen und Vermindern. Ausufernde Verfahrensweisen und Vorschriftenberge untermauern die Wichtigkeit eines Bereichs und dienen der Bedeutungserhöhung. So beschäftigen sich die meisten Unternehmen vor allem mit sich selbst. Vieles muss also weg, weil es Ressourcen blockiert, keinerlei Wertschöpfung bringt und Raum für notwendiges Neues versperrt. Insofern macht es unbedingt Sinn, eine Liste der unternehmensinternen „heiligen Kühe“ zu erstellen, um sie dann mit dem „Elefanten im Raum“ zu vertreiben.

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