In tradierten Industrien gibt es immer noch eine Vielzahl von Unternehmen, die ihre nicht-nachhaltigen Geschäftsmodelle mit aller Macht so lange wie möglich bewahren wollen. Statt sich darauf zu konzentrieren, den Sprung in die Zukunft zu schaffen, versuchen sie, mithilfe einer fragwürdigen Außenkommunikation das Kapital zu schützen, das in ihren überalterten, umweltschändenden Technologien gebunden ist.
So beherrscht ein sehr geringer Teil der Weltbevölkerung das Schicksal einer großen Mehrheit, mit oft desaströsen Folgen für die soziale Gerechtigkeit und den Schutz unseres Heimatplaneten. Wie sie das machen? Mit Lobbyarbeit. Lobbyismus per se ist weder strafbar noch illegal, sondern Teil unseres demokratischen Systems. Hauptziel des Lobbyismus ist der Versuch, direkten Einfluss auf Gesetze zu nehmen.
Entscheidend ist allerdings, welche Interessen die Lobbyisten vertreten, und welche Macht sie dabei entwickeln. Das hat geradewegs mit dem Einsatz finanzieller Mittel zu tun. Wer viel davon hat, wie etwa die Akteure der fossilen Industrien, kann viel Einfluss ausüben. Hingegen sind die Einflussmöglichkeiten derjenigen mit wenig Geld in der Kasse, wie bei NGOs, Umwelt-, Arten- und Klimaschützern, vergleichsweise gering.
Zum Beispiel haben laut Corporate Europe Observatory allein die fünf größten Öl- und Gasgiganten (Shell, BP, Total, ExxonMobil und Chevron) und ihre Interessenverbände zwischen 2010 und 2019 mehr als eine Viertelmilliarde Euro in Lobbykampagnen gesteckt, um sich Einfluss bei der EU zu kaufen – mit dem Ziel, klimafreundliche Maßnahmen zu verzögern, abzuschwächen, zu sabotieren und zu verhindern.[i]
Die jüngsten politischen Ereignisse geben Anlass zur Sorge, dass solche Interessengruppen wieder an Macht gewinnen und die notwendigen weiteren Anstrengungen in Sachen Klima- und Umweltschutz damit zurückgedrängt werden. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wie Lobbyarbeit funktioniert. Die Einblicke, die uns die beiden Bücher und ihre beherzten Autoren geben, sind sehr erhellend.
Lobbyland: Wie die Wirtschaft unsere Demokratie kauft
Vor allem die großen Konzerne beschäftigen viele gut bezahlte Lobbyisten, die nichts anderes tun, als die Politik, die Medien und damit auch die Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu manipulieren. Sachkundig nimmt uns Marco Bülow, lange Zeit Mitglied des Deutschen Bundestages in seinem Buch Lobbyland mit auf eine spannende Reise hinter die Kulissen des Lobbyismus im politischen Betrieb.
„In Brüssel gibt es schätzungsweise 25.000 Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro, die Einfluss auf die EU-Institutionen nehmen. Etwa 70 Prozent von ihnen arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände“, schreibt Bülow, und weiter: „Wer am meisten investiert, wer am meisten Geld im Rücken hat, beeinflusst am meisten.“ Dabei ginge es nicht um einen demokratischen Diskurs, sondern darum, was die stärkste Lobby behauptet.
„Mittlerweile tarnt sich der Lobbyismus oft. Er tritt dann unter dem Namen einer Initiative, einer Kanzlei, einer Agentur, sogar von Bürgerbewegungen auf, die ein Gemeinwohlinteresse vorgeben. Die Geldgeber dahinter bleiben geheim. Dieser Lobbyismus wählt zusätzliche Strategien, wie die Konkurrenz mit Schmutz zu überziehen oder die Integrität von Politikern zu zerstören, die nicht so willfährig zu Diensten sind“, sagt Bülow auch. [ii]
Anhand umfangreichen Zahlenmaterials stellt er zum Beispiel dar, wie viele Milliarden an Subventionen noch immer in klima- und gesundheitsschädliche Industrien fließen. So fallen etwa 28 Milliarden allein auf den Verkehrssektor, vor allem für die Steuerbefreiung von Kerosin, einen verringerten Steuersatz für Diesel, die Befreiung internationaler Flüge von der Mehrwertsteuer und das Dienstwagenprivileg.
Kleiner Hinweis am Rande: Wer sich über den Lobbyismus bei uns und in der EU näher informieren möchte, wird bei LobbyControl und bei Abgeordnetenwatch fündig.
Wie die Klimaschmutzlobby die Zukunft der Erde verkauft
Der Ölgigant Exxon wusste durch interne Studien bereits 1977 und der Shell-Konzern spätestens seit 1986 um die desaströsen Folgen des Klimawandels. Doch sie hielten ihre Studien unter Verschluss und belogen uns alle. Jahrelang. So haben sie – wie viele andere es nach ihnen taten und immer noch tun – der ganzen Welt das gestohlen, was immer knapper wird: Zeit zu handeln.
Rechte Stimmungsmacher, Klimaschutzgegner und eine illustre Schar sogenannter Interessenvertreter verbreiten noch immer Fake News, diskreditieren Wissenschaftler, verfälschen Daten und Fakten, bringen uns mit einem Wirrwarr abstruser Theorien durcheinander, säen Zweifel und schüren Angst. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres haben das in Die Klimaschmutzlobby mutig zusammengetragen.
Darin zeigen sie detailliert, wie Desinformation und verunglimpfende Narrative gezielt eingesetzt werden, um eine effiziente Umwelt- und Klimaschutzpolitik auszubremsen. Sie decken namentlich auf, welche Akteure solche Erzählungen in die Welt setzen und wer sie dann aufgreift. Besonders gefährlich dabei: Nach außen hin und formal unterstützen sie die Klimaziele, doch hinter den Kulissen lobbyieren sie in Regierungskreisen tagtäglich gegen neue Gesetze.
Die Autorinnen enttarnen, wie Populisten Klimaschutz torpedieren, wie großzügige Spender die Parteienlandschaft unterminieren, wie das Netzwerk der Klimaschutz-Bremser funktioniert und die Agrarlobby klimafreundliche Ernährung blockiert. Sie beleuchten, wie Industrielobbyisten ihre Ziele in den USA, in Brüssel, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Osteuropa erreichen, und legen dar, wie sich die Profite der dahinterstehenden Konzerne und Großunternehmen dadurch vermehren.
Der Leser bleibt kopfschüttelnd, oft wütend, aber auch dankbar zurück, weil sich Vieles plötzlich erklärt. Das Buch ist ein Augenöffner. Ich empfehle es allen, denen die Zukunft unseres Heimatplaneten am Herzen liegt – und denen, die wissen wollen, wem das komplett egal ist und wie sie es anstellen, ihre miesen Ziele zu erreichen.
Ergänzend dazu empfehle ich gern den Spiegel-Bestseller von Christian Stöcker: Männer, die die Welt verbrennen.
[i] https://corporateeurope.org/en/2019/10/big-oil-and-gas-buying-influence-brussels
[ii] Forum Nachhaltig Wirtschaften, Ausgabe 04/2024, S. 94