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Greenwashing und andere Bösartigkeiten

Klimaneutral bis 2030 oder 2040? Oft mehr Gerede als Plan. Viel wird versprochen, doch wenig passiert. Doppelzüngig wird auf freiwillige Selbstverpflichtung gepocht, um Zeit zu gewinnen. Listig wird so getan, als sei man ökologisch geläutert, doch hinter den Kulissen bleibt fast alles beim Alten. Medienwirksam werden Alibi-Aktionen in Szene gesetzt – die Bienenstöcke auf dem Firmendach lassen grüßen – ohne aber die grundlegende Ausrichtung des Unternehmens infrage zu stellen.

In Wirklichkeit haben ganze Industriezweige kaum Interesse daran, dass sich viel ändert, weil das ihrem derzeitigen Profit schadet. Jede Art von Greenwashing ist insofern ein glasklares Zeichen dafür, hintendran zu sein, Trends verschlafen zu haben oder wie bisher weitermachen zu wollen.

Statt in die eigene Nachhaltigkeit zu investieren, werden Millionen in verlogene Werbung gesteckt. Gewiefte Unternehmenssprecher und willige Werbeagenturen, die sich anscheinend für nichts zu schade sind und die hinterlistigsten Täuschungsmanöver ersinnen, gibt es leider viele.

Würden sich diese mit ähnlich hohem Einfallsreichtum und gleichartiger Vehemenz für wahrhaftige Klima- und Umweltschutzmaßnahmen einsetzen, wäre schon viel gewonnen. Aber nein, man wählt den schändlichen Greenwashing-Weg.

Greenwashing hat viele Facetten

Beim Greenwashing geht es darum – etwa über Pressemitteilungen, via Werbeaktivitäten und in Interviews – den falschen Eindruck zu erwecken oder irreführende Infos dazu zu verbreiten, wie ökologisch ein Unternehmen agiere und wie nachhaltig seine Lösungen seien.

Unbegründete Behauptungen oder geschönte Darstellungen sollen dazu dienen, die Konsumenten zu täuschen und sie glauben zu lassen, dass die Produkte des Unternehmens zum Beispiel einen positiveren Einfluss auf das Klima haben, als dies tatsächlich der Fall ist.

Greenwashing ist auch dann gegeben, wenn ein Unternehmen versucht, scheinbar nachhaltige Aspekte hervorzuheben, um seine Beteiligung an zweifelhaften Praktiken zu überdecken. Als Greenwashing gilt etwa auch, wenn umweltschädliche Produkte in traumhaft grünen Landschaften präsentiert und mit grüner Schrift beworben werden.

Das perfide an Greenwashing

Das besonders perfide an Greenwashing ist, dass durch die gezielte Irreführung auch noch zusätzlich verdient wird, weil umweltbewusste Käufer bereitwillig die höheren Preise für scheinbar nachhaltige Erzeugnisse zahlen. Ein Beispiel? Ein Teppich ist mit „50 % mehr recyceltem Inhalt als zuvor“ gekennzeichnet – und teurer geworden. Tatsächlich hat der Hersteller den Recyclinganteil von 2 % auf 3 % erhöht.

Obwohl die Botschaft technisch gesehen wahr ist, vermittelt sie den falschen Eindruck, dass der Teppich nun eine erhebliche Menge an recycelten Fasern enthält. Ein weiterer unguter Nebeneffekt: Kunden, die einer derartigen Täuschung zum Opfer gefallen sind, vertrauen auch einem ehrlichen Anbieter nicht mehr.

Getürkte Werbung verursacht weitere Schäden, weil sich die Menschen für Produkte entscheiden, die gar nicht umweltfreundlich sind. Mithin ist die Aufklärung der Konsumenten von großer Bedeutung, damit sie mehr auf die ökologischen Folgen ihrer Kaufentscheidungen achten können. Indem wir Umweltsündern den Nährboden entziehen, wird der Übergang zu nachhaltigen Geschäftsmodellen beschleunigt.

Berechtigte Fragen sind außerdem: Wie gehen die Mitarbeitenden damit um, wenn sie sehen, dass ihr Arbeitgeber dreiste Lügen verbreitet? Was macht das mit ihnen, wenn sie gezwungen sind, so etwas zu unterstützen? Was macht das mit ihrer Loyalität? Was macht das mit ihrem Vertrauen? Und was macht das mit der Unternehmenskultur?

Regulatorik setzt nötige Grenzen

Inzwischen wird Greenwashing durch die EU Green Claims Directive (GCD) bereits eingeschränkt. Demnach müssen Aussagen über ökologische Produkte und Dienstleistungen verständlich und präzise sein. Falsche oder irreführende Angaben dürfen nicht verwendet werden. Der ökologische Nutzen muss nachweisbar sein und auf unabhängigen, wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Generelle Claims wie „umweltfreundlich“, „nachhaltig“ und „klimaneutral“ sind damit unzulässig, sofern sie nicht mit hinreichender Validierung belegt werden können.

Dennoch finden Anbieter und ihre Hausjuristen immer wieder Schlupflöcher, um Konsumenten irrezuführen und „grüne“ Lügen zu verbreiten. So werben Unternehmen damit, in fernen Jahren in hohem Maße nachhaltig zu agieren, ohne auch nur annähernd glaubhaft zu machen, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Die gaukeln dem Markt ökologische Absichten vor, um daraus ökonomische Vorteile zu ziehen.

Bei einer unaufgeklärten Kundschaft kommt man damit bisweilen auch durch. Von daher wird solche Werbung mehr und mehr durch Gerichte verboten und sanktioniert. Noch nimmt das Management mancher Marken dies billigend in Kauf, solange mithilfe solch unlauterer Werbung die Kassen klingeln. Doch mit zunehmender Sensibilisierung und wachsendem Umweltbewusstsein breiter Bevölkerungsschichten sind Reputationsschäden und Umsatzrückgänge ein unausbleiblicher Langzeiteffekt.

Scheinheiligkeit und Lügengebäude

Um ihre alten Pfründe zu retten, behindern ganze Branchen neue Wirtschaftsweisen gezielt. Sie innovieren nicht, sondern drohen mit Weggang ins Ausland oder Arbeitsplatzabbau. So gerät die Politik unter Druck, Überholtes zu schützen und Vergangenheitsjobs zu unterstützen, statt sich um Fortschritt zu kümmern und die Arbeitsplätze der Zukunft zu sichern. Doch mit jedem Festhalten an sterbenden Geschäftsmodellen wird besseres Neues verhindert.

Wer nach vorne denkt, will bessere neue Zeiten gestalten und für die Kunden der Zukunft bedeutungsvoll werden. Gesternbewahrer hingegen sind Fortschrittsbremser. Und ihr Waffenarsenal dafür ist groß. Sie säen Zweifel, bringen Falschaussagen in Umlauf oder behaupten, wissenschaftliche Erkenntnisse seien umstritten oder rein spekulativ. Wider besseren Wissens lügen sie uns dreist ins Gesicht.

So ist seit den 60er Jahren bekannt, dass der Einsatz fossiler Brennstoffe zum Klimakollaps führt. Doch die Global Climate Coalition, eine einflussreiche Lobbyorganisation, die von internationalen Großunternehmen finanziert worden ist, hat bis in die 2000er Jahre den Klimawandel geleugnet und mit erheblichen Mitteln, Verleumdungen und Desinformation Klimaschutzmaßnahmen aktiv verhindert.

Ihre systematischen Täuschungsmanöver hallen bis heute nach und geben Klimaskeptikern noch immer Nahrung. Einer Yougov-Studie aus dem Jahr 2023 zufolge ist nur knapp die Hälfte der Befragten davon überzeugt, dass der Klimawandel das Resultat menschlichen Handelns ist. Genau das ist das Übel bei Fake News: Die irreführende Botschaft ist in der Welt – und irgendetwas bleibt immer hängen.

Ein Negativbeispiel von vielen

Für manche Marktplayer ist Verbrauchertäuschung immer noch völlig normal. Oft kleidet sich das Böse in ein harmloses, beinahe hübsches Gewand. So ist das, was ein Agrochemieriese Pflanzenschutzmittel nennt, in Wahrheit Gift, das alles Leben zerstört – mit Ausnahme des im gleichen Haus produzierten genmanipulierten Saatguts.

Damit werden, wo einst prächtiger Regenwald stand, riesige Einheitsfelder besät. Die Ernte daraus, die angeblich den Hunger in der Welt stillen soll, wird in der Massentierhaltung verfüttert – Fleisch also für Gutsituierte. Ihre Ackergifte verkaufen sie weiter an Länder, in denen diese noch nicht verboten sind. Über die Nahrungskette gelangen diese dann doch in unsere Körper und machen uns krank.

Die nach wenigen Jahren ausgelaugten Böden werden nicht, wie es wohlklingend heißt, renaturiert, sondern verkommen zu Ödland, auf dem rein gar nichts mehr wächst. Im Schlepptau dessen haben indigene Völker ihre Heimat und Kleinbauern überall auf der Welt ihre Existenzgrundlage verloren. Bienenvölker, Insekten und Nutzpflanzen wurden ausgerottet. Millionen von Menschen sind gestorben, auch durch Freitod, weil sie nichts mehr zum Leben hatten.

Oftmals „just lipstick on a pig“

Am verwerflichsten finde ich die, die der Umwelt wissentlich schaden, und dann diejenigen verklagen, die solches Vorgehen öffentlich machen. Der Sieg ist den Klägern dabei völlig egal, meist ist er von vorneherein aussichtslos. Vielmehr sollen aufwendige Prozesse die Beklagten – Autoren, Verlage, Journalisten, Medien, Aktivisten, NGOs – einschüchtern und mundtot machen. Leider keine Einzelfälle.

Doch die Öffentlichkeit wird davon hören. Vieles wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Jeder Mitarbeitende kann im Web darüber berichten, was hinter den Kulissen tatsächlich läuft. „Grüne“ Vorgaukeleien werden enttarnt, Pseudo-Aktionen eiskalt überführt. Keine noch so gut gemachte Schönwetter-Kampagne kann auf Dauer darüber hinwegtäuschen, was ein Anbieter in Wirklichkeit treibt.

Klimaneutralität? Als reine Behauptung entlarvt. Obskure Zertifikate? Als moderner Ablasshandel demaskiert. Bio-Fakes, zweifelhafte Öko-Siegel, gekaufte Tests, frisierte Qualitätskontrollen, bestochene Gutachter, Mogelpackungen, die Lügen der Protagonisten in Werbeclips: Nein, danke. Mit Schmuddelkindern spielen wir nicht.

Greenwashing ist unternehmerisches Fehlverhalten und eine kommunikative Idiotie. Es zerstört Vertrauen und schreit geradezu nach einem Shitstorm. Das sind doch alles kluge Leute in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen, sollte man meinen, wieso machen die das? Ein guter Ruf entsteht nicht durch unredliche Imagekampagnen, sondern durch eine aufrichtige Haltung und wahrhaftiges Handeln.

Regenerative Nachhaltigkeit

Netto-Null definiert die Balance zwischen der Menge an Treibhausgasen, die produziert wird, und der, die aus der Atmosphäre entfernt wird. Dies gewährleistet, dass der Anteil an Treibhausgasen in der Atmosphäre konstant bleibt und nicht weiter steigt. Das Fernziel lautet: klimapositiv werden. Wer mehr Emissionen einspart als er verursacht, ist klimapositiv. Einige Firmen sind längst auf dem Weg. Sie wirtschaften regenerativ. Sie machen nicht Schlechtes weniger schlecht, sondern Gutes besser.

Idealerweise geht es dabei nicht nur um die jetzigen Emissionen, sondern auch um die in der Vergangenheit produzierten. Die hängen ja nach wie vor in der Luft, und zwar über den ganzen Globus verteilt. Denn CO₂ kennt keine Landesgrenzen. So lassen immer mehr Unternehmen ihre historischen Emissionen offiziell bilanzieren, also beziffern, für wie viel CO₂ sie seit ihrer Gründung verantwortlich sind. Diese werden dann kompensiert, zum Beispiel durch den Erwerb sogenannter Sühnezertifikate.

Kompensation: teils sehr dubios

Kompensation ist lediglich die letzte Lösung. An erster Stelle müssen ernsthafte Anstrengungen stehen, schädliche Emissionen zu vermeiden. Ein Zertifikat für ein Aufforstungsprojekt kann eine sehr gute Sache sein, doch es verändert kein Verhalten. Viel wichtiger ist tatsächliches Reduzieren. Nur das Unvermeidbare wird kompensiert.

Längst hat sich eine breite Zertifikate-Industrie etabliert. Sie tut eine Menge Gutes, doch bedauerlicherweise bietet sie auch ein weites Feld für Lug und Trug. Nicht selten fließt ein Großteil der eingesammelten Gelder in die kostenintensive Organisation. Die angebotenen Projekte sind teils obskur, oft schöngerechnet, bisweilen nicht existent.

Oder die Anbieter geben vor, Bäume zu schützen, die gar nicht gefällt werden sollen. Oder sie zählen die Bäume doppelt. Das ist Emissionsausgleich als Betrügerei im Tausch für Bequemlichkeit und ein gutes Gewissen, von dem primär die Ablasshändler profitieren. Sie haben gar kein Interesse an der Dekarbonisierung, weil sie dann nichts mehr verdienen. Das alles ist nicht nur traurig, sondern auch kriminell.

Quelle: Mein neues Buch „Zukunft meistern.“

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