Der Wettbewerb der Zukunft wird auf dem Marktplatz der Unternehmenskulturen geführt. Vor allem für junge Talente ist sie zunehmend wichtig. Und immer öfter wollen auch Kunden und die Öffentlichkeit wissen, wie es den Mitarbeitern in einem Unternehmen geht.
Zudem erfordert die digitale Transformation neben dem technologischen zuvorderst einen kulturellen Wandel, um zukunftsfähig zu sein. Deshalb werde ich mich in den kommenden Blogbeiträgen ausführlich damit befassen, wie sich ein Redesign der Unternehmenskultur bewerkstelligen lässt.
Unternehmenskultur: Wie es sein könnte – und wie es leider oft ist
„Wir müssen nicht mit moralisch und ethisch zurückgebliebenen, unflexiblen und unmenschlichen Organisationen leben. Wir können Organisationen aufbauen, die in ihrem Kern von edler Natur sind, die jeden schöpferischen Impuls wertschätzen, die sich schon verändern, bevor es notwendig wird, die das Herz berühren und die frei von jeglicher Bürokratie sind.“, hat Managementdenker Gary Hamel einmal gesagt.
Doch vielerorts liegt noch immer eine Menge im Argen, wie jeder in der Presse oder auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen nachlesen kann – und so mancher aus eigener leidvoller Erfahrung weiß.
Ich selbst habe in einem Unternehmen gearbeitet, da wurden unliebsame Mitarbeiter „zum Abschuss freigegeben“. Ein Abteilungsleiter erzählte mir neulich, dass sein Chef die versammelten Führungskräfte im Meeting schon mal gern als “augenlose Würmer” bezeichnet. Anderswo nennt man die Säule, an der Fotos von Führungskräften hängen, die Leitbildsprüche von sich geben, Lügenbaum.
Die Kluft zwischen muffigen Altunternehmen und jungen Firmen
Die Kluft zwischen alten, analogen und frischen, digitalen Unternehmen könnte größer kaum sein. Am einen Ende der Skala gibt es die, bei denen es zum guten Ton gehört, schlecht drauf zu sein, mit herunterhängenden Mundwinkeln über trostlose Gänge zu schlurfen und Unfreundlichkeiten darzubieten. Gute Laune bei der Arbeit gilt dort als verpönt, und ein Lachen hört man nur selten.
Am anderen Ende gibt es lebensfrohe Internetfirmen, die einer Spielewelt mit Erlebnispark gleichen. Unbelastet vom düsteren Geist einer taylorisierten Industrievergangenheit haben sie ganz einfach verstanden, dass Arbeit Spaß machen muss, um gut zu werden. Die meisten Jungunternehmer erfinden nicht nur höchst innovative Geschäftsmodelle, sie definieren auch ihre Organisationskultur völlig anders.
Mit Managementblödsinn aus alten Zeiten mühen sie sich gar nicht erst ab. Selbst neue Jobtitel entstehen, wie etwa so: Intergalactic President oder Head of Business Magic oder Coach & Flow Minister oder Chef Happiness Officer. Oder sie picken sich nur ein paar Dinge ganz gezielt raus und ändern sie passend. Beim schwedischen Musikstreamingdienst Spotify arbeiten die Mitarbeiter in Trupps und Stämmen mit Stammesführer.
Basis aller Veränderungsinitiativen ist die Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur prägt den Charakter einer Organisation und ihrer Mitarbeiter, verleiht ihr Persönlichkeit, bestimmt Handlungsweisen und durchtränkt interne Prozesse. Damit bestimmt sie auch, wie Ergebnisse zustande kommen. Sie ist das Resultat eines kollektiven Lernprozesses, dessen Pflege nie nachlassen darf. Sie umfasst das Sichtbare und das Unsichtbare, also auch Tabus, geheime Regeln und Normen. Sie determiniert,
- wie die Menschen im Unternehmen miteinander umgehen,
- wie das Verhältnis zu Kunden und Partnern ist,
- wer eingestellt und wer wie befördert wird,
- wie Entscheidungsprozesse ablaufen,
- wie Probleme angepackt werden,
- wie man mit Fehlern umgeht,
- was man aus Ideen macht,
- wie Konflikte und Krisen gemeistert werden,
- was wie kontrolliert wird,
- nach welchen Leistungsmaßstäben man beurteilt wird und
- wie Erfolge gefeiert werden.
Hierbei gilt ganz grundsätzlich: Die Stimmung breitet sich von oben nach unten aus.
Die Rolle der Führung im Rahmen der Unternehmenskultur
Nicht am Werteplakat und nicht im Leitbildgedruckten, sondern am konkreten Verhalten der Führungskräfte lesen die Beschäftigten ab, welche Unternehmenskultur gilt. Die Mitarbeiter nehmen sehr sensibel wahr, worauf die Oberen „abfahren“, was sie gar nicht mögen, was sie schätzen, fördern und belohnen – und wie sie mit kritischen Situationen umgehen. Zudem vervielfältigt sich das Verhalten der Führungscrew durch ihr Tun.
Dabei unterschätzen Spitzenmanager oft, welch katastrophale Folgen schon eine einzige Bemerkung haben kann. Einmal, auf einer großen Managementtagung, stellte sich der CEO eines Messeanbieters vor seine Leute und sagte mit Nachdruck: „ICH WILL EINE 0-FEHLER-KULTUR!“ Seitdem erstarrt dort alles in prozesshaften Bahnen. Und Innovationen, die zwangsläufig Fehler beinhalten können, traut sich fast niemand sehr zu.
Von einem noch herberen Fall erzählt Executive Coach Pia Struck in ihrem Buch „Game Change“. Der CEO eines Pharmariesen hatte im Rahmen einer Jahrestagung die neue Konzernstrategie präsentiert. 500 Führungskräfte waren im Raum. Nach Abschluss seines Vortrags fragte er in die Runde, ob es denn Fragen gäbe. Langes Schweigen. Schließlich fasste ein Mitarbeiter Mut und ließ sich das Mikrofon geben. Die sehr pointierte Reaktion des CEO: „EINE DÜMMERE FRAGE KANN ICH MIR KAUM VORSTELLEN.“ Welches organisationskulturelle Desaster er mit diesem einen Satz ausgelöst hat, kann sich jeder wohl denken.
Wie sich ein Redesign der Unternehmenskultur sinnvoll angehen lässt
Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, sich mit einem Redesign der Unternehmenskultur zu befassen. Den einen Weg gibt es nicht. Die in Managementkreisen so gern übernommenen üblichen „Schablonen“ sind hier völlig sinnlos. Vielmehr muss jede Organisation seinen eigenen passenden Weg finden, und zwar am besten mit den Mitarbeitern gemeinsam.
Gute Anregungen lassen sich zum Beispiel in einem Modell finden, dass als Haufe-Quadrant diskutiert wird. In „Fit für die Next Economy“ haben mein Mitautor Alex T. Steffen und ich dieses aufgegriffen, weiterentwickelt und um die leider im Original fehlende Kundendimension ergänzt. Die folgenden Blogbeiträge werden dies näher beleuchten.