Wir „kaufen“ immer zuerst den Menschen – und dann erst die Sache. Diese Weisheit aus dem Vertrieb lässt sich eins zu eins auch auf den Führungsalltag übertragen. Was Mitarbeiter sich von ihren Chefs mit am meisten wünschen, ist Menschlichkeit. Vor allem dort, wo Teams sich nur selten sehen, ist es wichtig, Menschlichkeit und damit auch einen Rest an Heimat zu bieten.
„Beim Führen auf Distanz fällt Ihnen als Führungskraft unweigerlich eine Gastgeberrolle zu, denn bei den Gelegenheiten, zu denen Mitarbeiter in den Betrieb kommen, um sich zu treffen, Arbeiten abzugeben, Projekte abzustimmen, neu gebrieft zu werden, haben Sie nicht nur die Chance, persönliches Feedback zu geben, und vertiefende Gespräche zu führen. Sie haben vor allem die Chance, das Wir-Gefühl zu stärken und die Loyalität zum Team und zu Ihnen als Chef zu festigen“, schreibt Maren Lehky in ihrem Buch Leadership 2.0.
Die Führungskraft als Gastgeber
Ein guter Gastgeber kümmert sich mit Wärme, Herz und Anstand um seine Gäste, so dass sie gerne wiederkommen. Und die innerbetriebliche Realität? Es ist immer wieder ganz erstaunlich, zu beobachten, wie cool und emotionslos Manager oft wirken wollen. Ganz so, als ob Gefühle die Achillesferse im Business wären.
Vor allem in Besprechungen zeigen Krawattenträger gern eine Maske aus Gleichgültigkeit und Indifferenz: ihr Pokerface. Okay, ein Pokerface ist beim Pokerspiel lebensnotwendig – und in schlechten Unternehmenskulturen wohl auch. Doch im Mitarbeiterkontakt ist es tödlich. Die Leute wollen und müssen wissen, wie es dem Menschen geht, den sie als Führungskraft vor sich haben. Denn davon hängt ja auch ihr eigenes Schicksal ab.
Pokerface-Manager sind Energie-Räuber
Pokerface-Manager nehmen allen in ihrem Umfeld die Kraft und zehren sie aus wie Vampire. So kommt es, dass in Pokerface-Unternehmen alles so blutleer wirkt. Emotionslosigkeit macht Menschen unnahbar – und unberechenbar. Da gewinnen Zweifel schnell die Oberhand. So entstehen im Leerraum fehlender emotionaler Informationen bald die wildesten Spekulationen.
Manche Hirne sind ja selbst bei scheinbar nichtigen Anlässen unglaublich gut darin, sich das Schlimmste auszumalen: „Er hat zu meiner Arbeit nichts gesagt. Sicher fand er sie schlecht, wollte mich aber schonen, weil er wohl glaubt, dass ich überempfindlich bin. Oder er will mich loswerden und zeigt sich deshalb so distanziert.“ Besser, Sie erlösen Ihre Leute aus solch belastenden Situationen.
Natürlich hat das Menschsein auch Grenzen
Emotionen am Arbeitsplatz sind unprofessionell? Ganz im Gegenteil! Gefühle zeigen ist wie Blinker setzen, damit jeder weiß, in welche Richtung es geht. Eine Ausnahme gibt es dabei: Für das Ausleben schlechter Laune schaffen Sie sich am besten einen Sandsack im Keller an. Und: Ein cholerischer Anfall ist nie der richtige Weg. Er schadet vor allem dem, der ihn hat.
Hinter einer Maske aus unzugänglicher Kontrolliertheit können zudem Abgründe von Selbstzweifeln, Verletztheit und Einsamkeit stecken. Solche Themen müssen natürlich besprochen werden, damit nichts eskaliert. Aber auch diese gehören nicht in den Mitarbeiterbereich. Zudem geht es nicht darum, seinen Leuten sehr private Dinge zu erzählen oder sie zu Vertrauten bei allen möglichen innerbetrieblichen Problemen zu machen.
Enttäuschung hingegen darf man sich ruhig anmerken lassen. Das sagen Sie so: „Schade, dass Sie so denken.“ Oder ganz konkret so „Das hat mich in der Sache enttäuscht.“ Aber bitte nie so: „Sie haben mich enttäuscht.“ Letzteres kommt persönlich verletzend rüber, und das ist gar nicht gut.
Gefühle zeigen macht frei
Gefühle zu zeigen macht uns verwundbar, es macht aber auch frei. Erst der bewusste Umgang mit den eigenen Gefühlen sorgt für Authentizität. Und dies wiederum ist die Voraussetzung für Souveränität und Charisma. Wer den Mut hat, seine Emotionen in Bewegung zu bringen, der schafft es auch, andere zu bewegen.
Einem Freund folgt man leichter als einem Feind. Und wenn wir jemanden mögen, dann sind wir viel eher bereit, ihm entgegenzugehen. Will heißen: Zwar sind Dashboards und vollgeexcelte Powerpoints populär, doch es ist äußerst unprofessionell, andere hierüber gewinnen zu wollen. Und Menschen mit kalten Zahlen und nackten Fakten zu betören, das ist nicht nur schwierig, sondern nahezu unmöglich.
Kommen Sie also raus aus der Black-Box Ihrer emotionalen Neutralität und erlauben Sie sich, auch im Business Mensch zu sein. Man erreicht andere am besten, wenn man von sich selbst etwas preisgibt. Und wir mögen die Menschen, die zeigen, dass sie uns mögen.
Vor allem positive Momente wie Freude und Stolz gilt es dabei zu teilen. Denn jede Form erlebter gefahrloser zwischenmenschlicher Resonanz erfreut unser inneres Motivationssystem. Und nur dann kann sich Kreativität so richtig entfalten. Sie ist die Schlüsselressource der Zukunft.