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Nein, man muss sich nicht alles gefallen lassen

Wer fit für die Zukunft sein will, hat längst auf dem Schirm, dass sich alles um die Gunst der Kunden dreht. „Liquid Expectations“ ist hierbei ein wichtiges Schlagwort. Es bedeutet: Nicht der Servicelevel, der in einer Branche als üblich gilt, sondern der beste Service, den ein Kunde je erlebt hat, wird seine zukünftige Messlatte sein. Will heißen: Den Servicelevel, den man als Kunde bei Firma X erhält, erwartet man fortan von allen Unternehmen in allen Branchen. Weil Firma X bewiesen hat, dass es machbar ist.

Zum Beispiel heißt es bei Amazon: „Wenn du ein Problem mit uns hast, brauchst du nicht in unserer Warteschleife zu hängen, bis wir Zeit für dich haben. Wir rufen dich vielmehr zurück, und zwar sofort, oder, wenn dir das lieber ist, erst in 15 Minuten.“ Und das ist nicht nur ein vollmundiges Serviceversprechen. Es klappt, ich habe es ausprobiert. Der Rückruf, den ich wollte, kam nach genau 15 Minuten. Mit dem Ziel, das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein, wurde Amazon zugleich zum einem der erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit.

Kundenzentrierung ist die Herausforderung Nummer eins. Denn heute erreichen Unternehmen eine Vorrangstellung nicht länger durch das, was sie tun, sondern darüber, wie der Kunde dies wahrnimmt – und was er Dritten dazu erzählt. Doch dem, was Interessenten und Konsumenten wünschen und wollen, hecheln herkömmliche Anbieter meist nur hinterher. Viele von ihnen sind richtig gut darin, Vorgehensweisen mühsam zu machen und einem die Zeit zu stehlen, weil sie ihr eigenes Wohl über das ihrer Kunden stellen. Doch nein, wir werden uns nicht länger alles gefallen lassen.

Ein Negativbeispiel par excellence

Seit vielen Jahren habe ich ein Abo bei einem großen deutschen Wirtschaftsverlag. Dieser Verlag hat eine ganze Reihe von Tages-, Wochen- und Monatstiteln, in denen er den Lesern vermittelt, was die Dos und Don’ts unserer heutigen Businesswelt sind. Der Verlag führt zudem Veranstaltungen durch, in denen man den Teilnehmern erklärt, wie Wirtschaft, Unternehmensführung und Kundenzentrierung fortan funktionieren. Man darf als treuer Abonnent also durchaus was erwarten. Dachte ich so.

Und dann das: Ich erhielt die jährliche Rechnung. Man erläuterte mir, dass man jetzt auch digitale Services anbiete. Das ist zunächst ja erfreulich. Allerdings stellte man mir für diesen Zusatzservice 59 Euro in Rechnung, obwohl ich niemals eine Einverständniserklärung dazu abgegeben oder einen Ergänzungsvertrag unterschrieben habe. Ich rufe also bei deren Kundenservice an, um mitzuteilen, dass ich mit diesem Vorgehen nicht verstanden sei.

Ja, sagt mir die Dame am Telefon, wir haben sehr viele Kunden, die sich deswegen beschweren. Es sei ein Beschluss der Geschäftsleitung gewesen und wohl auch durch einen Trick in den AGB’s gedeckt. Sie könne das aber rückgängig machen. Ich solle auf die geänderte Rechnung warten. Kaum vier Wochen später kam keine geänderte Rechnung, sondern die Mahnung für den vollen Betrag. Nun die Tortur: Ich habe an die 20 Mal (!) versucht, den Kundenservice anzurufen, hing jeweils bis zu 20 Minuten in der Warteschleife, niemand ging je ans Telefon. Habe an die 10 Rückrufbitten eingestellt und 2 E-Mails geschrieben, aber auf nichts eine Antwort erhalten.

Endlich hob dann doch jemand ab. Von meinem ersten Gespräch gab es wohl keine Notizen. Also alles nochmal erklärt. Nein, sagt nun die Dame, sie könne nichts machen, ich müsse die volle Summe bezahlen. Das einzige, was sie mir anbieten kann, sagt sie, sei eine komplette Kündigung. Herr, schick Hirn! Wegen 59 Euro setzt sie ein Jahresabo von 355 Euro aufs Spiel. Natürlich hab ich gekündigt, zumal ein neues Abo derzeit deutlich günstiger und der Digitalservice sogar inklusive ist. Auf die Bestätigung meiner Kündigung warte ich nun seit 3 Wochen.

Der Stammkunde als Cashcow?

Man glaubt es kaum, aber vielerorts gibt es noch immer eine Zweiklassengesellschaft. Da sieht man als Stammkunde fassungslos zu, wie Neukunden die ganzen Goodies erhalten. Sie bekommen Nachlässe, Schnupperpreise, kostenlose Testangebote und andere Nettigkeiten, damit sie sich für einen Erstkauf entscheiden. Hingegen ist Bestandskundenabzocke gang und gäbe. Was bedeutet: Neukunden, die bis zum Abschluss nur kosten, werden belohnt, Altkunden hingegen, mit denen man längst gutes Geld verdient, werden bestraft.

Dabei ist in zunehmend gesättigten Märkten eine Fokussierung auf Wiederkauf und Empfehlungsbereitschaft geradezu zwingend. Dennoch stehen Eroberungen und schneller Abverkauf vielfach noch immer am höchsten im Kurs. Dabei luchsen sich die Anbieter mit Lockvogelangeboten gegenseitig die Kunden ab. Manager sehen dabei anscheinend nur das, was sie gewinnen, nicht aber das, was sie verlieren. Während nämlich vorne fleißig gebaggert wird, laufen einem hinten die eigenen Kunden weg.

Der Kunde als Cashcow! Ganze Manager-Generationen haben an den Unis über das Abschöpfen von Zahlungsbereitschaften gehört und glauben tatsächlich, dass das auch heute noch funktioniert. Früher haben die Kunden sowas murrend ertragen. Doch das ist aus und vorbei. Niemand lässt sich mehr für blöd verkaufen. Eine wachsende Beschwerdezahl ist die Folge. Längere Bearbeitungszeiten sind das Ergebnis. Der Frust der Servicemitarbeiter steigt, die Stimmung sinkt. Die ersten Krankheitsausfälle. Noch mehr bleibt liegen. Der Service bricht völlig ein.

Der Groll der Kunden verlagert sich nun ins Web. Die Missstände werden öffentlich. Doch anstatt das Übel bei der Wurzel zu packen, wird jetzt an der Kostenschraube gedreht. Beim Vertrieb kann man nicht sparen, die sollen gefälligst ackern! Aber bei der Kundenbetreuung, da ginge noch was, da wird reduziert. Manche Manager sind dabei völlig verblendet. „Jedes Mal, wenn ein Kunde bei uns anruft, sind das Kosten“, hat mir kürzlich einer gesagt. Ein solcher Anbieter darf sich dann aber nicht wundern, wenn es ihn bald nicht mehr gibt.

Wie Kundenzentrierung in neuen Zeiten funktioniert? Dafür gibt es meine Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager vom 26. 1. – 28. 1. 2023 in München.

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