Alles Motivieren ist Demotivieren.“ Dieser oft zitierte Satz zählt zu den Todsünden im Management, selbst wenn er von Reinhard Sprenger stammt, von dem wir auch viel Schlaues kennen. Oft genug kommen Führungskräfte aus Seminaren zurück und plappern unreflektiert solchen Unsinn nach. „Es reicht ja schon, wenn wir nicht demotivieren“, papageien sie auch.
Doch mit solchen Pauschalaussagen kommt man nicht weit. Denn die Menschen sind alle verschieden. So, wie jedes Gesicht einzigartig ist, so ist auch das Gehirn bei jedem Individuum anders gebaut. Deswegen denkt, fühlt, handelt und entscheidet Jeder auf seine einzigartige Weise. Und eben oft ganz anders als Sie.
Ganz klar: Die Menschen sind alle verschieden
Wie wird man zu dem, der man ist? Manches hat mit Erziehung zu tun, anderes mit der Kultur, die einen sozialisiert. Doch auch in der eigenen Verantwortung liegt so einiges, was uns als Persönlichkeit ausmacht. „Use it or lose it“, so funktioniert unser Gehirn. Was immer wieder gedacht und gemacht wird, bewirkt zerebrale „Trampelpfade“, die vorzugsweise begangen werden. So verfestigt sich Verhalten.
Schließlich, und das scheint der Hauptgrund zu sein, gibt es eine genetische Disposition. So sehen manche in jedem ‚Neu‘ eine Verheißung. Andere sehen darin nicht Chance, sondern Gefahr. Derartige Grundeinstellungen werden im Wesentlichen durch Neurochemie dirigiert. Sie ist die übermächtige Mitgift einer jahrmillionenlangen Vergangenheit.
Auch geschlechterspezifische Aspekte sind zu betrachten. So verstärkt das „weibliche“ Östrogen die Sozialmodule Fürsorge und Bindung. Das „männliche“ Testosteron hingegen ist mehr auf Eroberung aus. Schon allein dieser Hinweis sagt viel über das, was in den Teppichetagen passiert – und auch über die fehlende Weiblichkeit dort.
Über die intrinsisch gesteuerte Motivation
Intrinsisch gesteuerte Menschen brauchen kaum Zuspruch von außen, denn sie tragen ein Maximum an Motivation wie ein loderndes Feuer genetisch in sich. Schon als Kinder sind sie fast nicht zu halten vor lauter Bewegungsdrang. Neugierde und Abenteuerlust, Optimismus und Unbekümmertheit sind ihre Markenzeichen. Sie sind experimentierfreudig, lösungsorientiert, unkompliziert, flexibel, tolerant, kreativ.
Sie sind Frohnaturen mit quasi eingebauter Glücksfähigkeit. Ihr Hirn arbeitet schnell. Sie suchen nach Abwechslung und nehmen das Leben leicht. Ihre Disposition sorgt für Pioniergeist, Innovationen und Spaß, aber auch für unkalkulierbare Risikobereitschaft und Chaos. Sie sind ungeduldig, flatterhaft, rastlos, unzuverlässig. Für ruhigere Zeitgenossen können sie deshalb recht anstrengend sein.
Intrinsisch Motivierte tragen den Funken der Begeisterung in sich
Intrinsisch gesteuerte sind Visionäre, Bekehrer, Heiler, aber auch Menschenfänger. Sie tragen den Funken der Begeisterung bis ans Ende der Welt. Mit ihrem Überschwang gelingt es ihnen, selbst müde Krieger wieder hochzureißen. Sie werden von einem Hormoncocktail befeuert, der vor allem den Botenstoff Dopamin enthält.
Dopamin-Euphorie sorgt für Vitalität, für einen hochgradigen Energielevel und für den Chancenblick. Sie macht uns unternehmungslustig, leistungsfähig, wagemutig, siegesgewiss. Kommt eine motivierende Befeuerung von außen hinzu, dann wachsen solche Charaktere über sich selbst hinaus. Allerdings werden in diesem Zustand hirninnere Kontrollzentren zurückgefahren, weshalb eine Überdosis gefährlich sein kann. Eine Notbremsung ist dann lebensnotwendig, um sie vor sich selbst zu schützen.
Alles in allem sind Dopamingesteuerte wie wilde Pferde, manchmal geradezu besessen von einer Idee – und anderen schnell um Meilen voraus. Leider übersieht so einer, dass bei weitem nicht jeder derart begnadet ausgestattet ist wie er selbst. Schlimmer noch: Er merkt nicht einmal, dass viele nicht den Hauch einer Chance haben, bei seinem Tempo mitzuhalten. Und er übersieht, dass sich andere bei der Hatz, die für ihn ein Leichtes ist, bis zum Burnout zerreiben – oder entmutigt das Handtuch werfen.
Über die gemischt gesteuerte Motivation
Eigenmotivation, Antrieb und Willenskraft sind bei diesem Typus eher gering. Sie neigen zu Pessimismus, Selbstmitleid, Phlegma und mangelnder Resilienz. Manche verlöschen bis an den Rand der Depression. Um auf volle Drehzahl zu kommen, benötigen sie Zuspruch von außen. Zuwendung und Akzeptanz sind zwar für jeden von uns elementar, für diesen Typ aber ein biologisches Grundbedürfnis. Im Grunde wollen diese Menschen stolz sein können auf das, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu leisten in der Lage sind. Und das ist oft ganz schön viel. Vor allem sind sie zuverlässig, fürsorglich, beharrlich und penibel genau.
Doch ihr Selbstbewusstsein leidet, und sie werden von Zweifeln geplagt. Deshalb können sie nicht immer zeigen, was in ihnen steckt. Sie neigen zur Vorsicht und sind zögerlich, wenn es um Entscheidungen geht. Routinen und ein vertrautes Umfeld geben ihnen Sicherheit. Sie mögen Schritt-für-Schritt-Aufgaben – und leisere Varianten der Anerkennung. Bei aufgesetzten Lobattacken werden sie misstrauisch. Begeisterungsstürme machen sie skeptisch. Öffentlicher Beifall ist ihnen peinlich.
Manche Führungskräfte würdigen nur herausragende Verdienste und vergessen dabei die vielen kleinen Performancesteigerungen solcher Mitarbeiter im Leistungsmittelfeld und darunter. Vor allem, wem der Glaube an sich fehlt, braucht wohldosiertes, begründetes, regelmäßiges Lob. Es ist das Elixier, das gerade stille, zurückhaltende und weniger talentierte Menschen beseelt, endlich Mut zu fassen und vollen Einsatz zu bringen. Für den Chef, der ihre Leistungen würdigt, ohne gleich überschwänglich zu werden, werden sie kleine Heldentaten vollbringen. Und für das Wohl der Kunden wachsen sie dann über sich selbst hinaus.
Wie die extrinsisch Gesteuerten ticken
Stark extrinsisch Gesteuerte laufen vor allem dann zur Hochform auf, wenn der Applaus von außen kommt. Wir finden sie in den Teppichetagen der großen Konzerne, auf Bühnen in Scheinwerferkegeln – und in Stadien auf dem Siegerpodest.
Sie wollen beklatscht, umjubelt und vergöttert werden. Sie sonnen sich selig im Rampenlicht der bewundernden Öffentlichkeit. Wird dieses ausgeknipst, verkümmern sie kläglich. Das kraftvolle ‚Porschehormon‘ Testosteron ist die Dampfmaschine, die sie im Großen und Ganzen befeuert.