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Die Auswirkungen veralteter Management-Mindsets

Neulich in einem Seminar: Lange Entscheidungswege und interne Bürokratie? Bei uns kein Thema, hieß es. Gottseidank hat sich ein junger Mann mutig gemeldet. Er war gleich nach der Uni in diese Firma gekommen und hat uns von seinen ersten Tagen im Unternehmen berichtet.

Zum Beispiel brauchte er zwecks Bestellung von neuen Batterien für die Computermaus ein Formular und zwei Unterschriften. Wir haben mal kurz überschlagen: Dem Gegenwert von 2 Euro für die Batterien standen, konservativ gerechnet, 200 Euro Transaktionskosten gegenüber. Wie unsere Rechnung aussah?

Preisschilder an antiquierte Prozesse hängen

Der Genehmigungsprozess (Antrag ausfüllen und 2 x genehmigen) >>>> 50 Euro
Entgangene Arbeitszeit für wichtigere Aufgaben (1 x 10 €, 2 x 20 €) >>>> 50 Euro
Temporär getrübte Motivation = Minderleistung beim Antragsteller >>> 40 Euro
Verplemperte Arbeitszeit Dritter, die sich die Story anhören mussten >>> 60 Euro

Das ist aber noch nicht alles. Denn dieser junge Mann mit exzellentem Uniabschluss hatte die Nase voll von solch unzeitgemäßen Prozessen und Gängelei. Er war eingestellt worden und in die Firma gekommen, um etwas zu bewegen. Er wollte Verantwortung tragen und Selbstwirksamkeit spüren.

Er wollte Spuren hinterlassen und Teil von etwas Bedeutsamem sein. Weil all das dort aber nicht möglich war, war er bereits auf dem Sprung. Bei nächstbester Gelegenheit würde er die Firma verlassen. Die Opportunitätskosten: 100 000 Euro, um diese Position dann neu zu besetzen.

Kluge Köpfe sollten autonom entscheiden

Beim schwedischen Streamingdienst Spotify, Weltmarktführer für Musikvermarktung mit mehr als 4.500 Mitarbeitern, sieht man das so: Ein guter Mitarbeiter trifft in 70 % aller Fälle dieselben Entscheidungen wie sein Chef. Bei 10 % seiner Entscheidungen liegt der Mitarbeiter daneben. Und zu 20 % fällt er bessere Entscheidungen, weil er näher an einer operativen Sache dran ist und deshalb davon mehr Ahnung hat.

10 % falsche Entscheidungen der Mitarbeiter, 20 % falsche Entscheidungen der Chefs, das lässt sich bepreisen. Dort, wo Obere auch darüber befinden, ob die Ideen der Mitarbeiter umgesetzt werden, kommen Opportunitätskosten für entgangenen Nutzen oder entgangene Erlöse hinzu: zum Beispiel entgangene Kostenersparnis durch eine nicht umgesetzte gute operative Idee oder entgangener Gewinn, weil eine relevante Idee den Markt nicht erreicht hat.

Erst wollen die Firmen die besten Mitarbeiter und dann werden diese geführt, als ob sie keine eigenen Entscheidungen treffen könnten. „Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun können.“ Diese Aussage stammt von Steve Jobs.

Und Ed Catmull, Leiter der Pixar Animation Studios, hat gesagt: „Wir beginnen mit der Annahme, dass unsere Mitarbeiter talentiert sind und einen Beitrag leisten wollen. Wir akzeptieren, dass unser Unternehmen ungewollt dieses Talent auf unzählige Weisen einengt. Aber wir versuchen, diese Hindernisse zu finden und zu beseitigen.“

Okays von Oben für kleinste Anlässe?

In den frühen Zeiten der Industrialisierung waren Okays von Oben auch für kleinste Entscheidungen vielleicht einmal sinnvoll. Da wurden ungelernte Tagelöhner direkt von den Feldern in die Fabriken geholt. Man sagte ihnen, was sie zu tun hatten, und genau das taten sie auch. Vorarbeiter waren dazu da, sie anzutreiben: mit Planzahlen, harschen Vorgaben und strengen Kontrollen. Das war damals.

Heute braucht es vor allem geniale Köpfe, damit das notwendige Neue „werden kann“. Die Routinen erledigt Kollege Computer. KI-unterstützt und algorithmusberaten nimmt er uns die repetitive, schmutzige, ungesunde und gefährliche Arbeit ab. Künstliche Intelligenzen sind Spezialisten – und in vielem bereits besser als wir.

Wir Menschen sind Generalisten. Unser großes Plus sind Kreativität, Emotion und Intuition. Unternehmerisch am erfolgreichsten ist damit am Ende der, der die meisten und besten unkonventionellen Ideen hat. Es sollte den Managern geradezu Angst machen, wenn interne Meinungsvielfalt und forsches Hinterfragen erlöschen. In jeder Firma sollte es eine Pflicht zum konstruktiven Widerspruch geben.

Es gibt keine Theorie X-Menschen

Nur leider: Das vorherrschende Menschenbild aus alten Zeiten spukt wie ein Poltergeist noch immer in vielen Managerköpfen herum. Es geht davon aus, dass Mitarbeiter träge und arbeitsunwillig seien, anspruchslose Aufgaben bevorzugten und Verantwortung scheuten, weshalb sie gefügig gemacht und zur Arbeit angetrieben werden müssten.

Dies entspricht der weitläufig bekannten Theorie X von Managementprofessor Douglas McGregor, die er 1960 in seinem Buch The Human Side of Enterprise formulierte. Darin hat er gottseidank auch die Theorie Y entwickelt.

Sie steht für die Hypothese vom grundsätzlich engagierten Mitarbeiter, der Arbeit als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sieht und Freude daran hat, Leistung zu bringen. Befruchtendes Führen und gute Rahmenbedingungen ermöglichen seine volle Entfaltung. Denn Tatsache ist: Von Haus aus gibt es keine Theorie-X-Menschen. Schlechte Führung lässt sie so werden.

Gallup-Untersuchungen zufolge kostet schlechte Führung die deutsche Volkswirtschaft 105 Milliarden Euro jährlich. Auch in den Unternehmen sollte man schlechte Führungsprozesse und den Aufwand, der durch exzessive Command & Control-Maßnahmen entsteht, systematisch bepreisen. Die Kostenspareffekte, die sich aus anschließenden Optimierungsarbeiten ergeben, wären gewaltig.

Kontrolle von Oben killt jede Kreativität

Hierarchiegeprägte Topdown-Organisationen schaffen ein Mindset, also eine Denk- und Handlungslogik, die genau das Verhalten hervorbringt, das zu diesem Mindset passt: Man erzieht sich lauter Mündel, die meinungslos auf Anweisungen warten. Mit anderen Worten: Man macht seine Mitarbeiter führungsbedürftig.

Vorgezeichnete Wege hemmen die Fantasie und zerstören damit die Möglichkeit, eigene, andere, bessere Wege zu einer Zielerreichung zu finden. Und das ist verheerend. Denn die Zukunft ist unklarer als jemals zuvor. Der Planungshorizont wird immer enger, die Vorhersagbarkeit geht gegen Null. Permanente Vorläufigkeit ist das neue „New Normal“. „Dienst nach Vorschrift“ ist das letzte, was in diesem Fall hilft.

Das Abarbeiten vorgedachter Verfahrensweisen lässt Eigeninitiativen einfach versanden. Doch Führungskräfte werden auch heute noch vor allem dafür bezahlt, dass die Mitarbeiter wie gewollt spuren. Das Einhalten vorgegebener Verfahrensweisen und Punktlandungen auf Planvorgaben werden sogar bonifiziert. Ganze Abteilungen sind dazu da, andere zu kontrollieren.

Kontrolle kann zwar Fehler verhindern, doch sie weckt kein Leben, erzeugt keinen Schwung, keine Kreativität, kein Engagement und schon gar keine Innovationen. So killen Kontrolle von Oben und das Machtwort der Chefs jegliche Kreativität. Die heute so dringend benötigten innovativen Ideen sind dann unerreichbar.

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