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Macht mit! Klimarettung ist ein Menschheitsprojekt

Der Erdüberlastungstag fällt in diesem Jahr auf den 28. Juli. Er markiert den Tag, an dem wir alle natürlichen Ressourcen, die unser Planet uns innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht haben. In Deutschland fiel dieser Tag bereits auf den 4. Mai. Unser Land allein verbraucht also den Gegenwert von drei Erden im Jahr – und das schon seit Jahren. Die Konsequenzen dieser Übernutzung werden unsere Kinder und Enkel tragen.

Die junge Generation muss in der Zukunft leben, die wir ihr hinterlassen. Und diese Zukunft steht auf dem Spiel. Es gibt immer ausgefeiltere, von Großrechnern unterstützte Klimamodelle, die sichtbar machen, wie es unserem Heimatplaneten von nun an ergeht: verheerende Stürme, Wasserknappheit, Wälder in Flammen, Hitzewellen, Missernten, Ödland. All das findet nicht irgendwann, irgendwo, sondern längst vor unserer eigenen Haustüre statt.

Früher konnten die Menschen ausweichen, wenn es ihnen zu heiß wurde, wenn der Boden erschöpft war und das Wild aus den Wäldern verschwand. Zukünftig werden sich immer mehr Menschen in immer weniger habitablen Zonen zusammendrängen. Klimaflüchtlinge werden nicht nur aus Afrika, sondern, wenn der Meeresspiegel weiter steigt, bald auch aus Holland kommen.

Die Erde ist ein schöner Ort. Es lohnt sich, um sie zu kämpfen

„Die Erde ist ein schöner Ort“, schreibt Ernest Hemingway. „Und es lohnt sich, um sie zu kämpfen.“ Dafür brauchen wir alle: die Politik, die Wirtschaft, jeden einzelnen Bürger. Noch haben wir es in der Hand, das Schlimmste abzuwenden. Bald läuft uns die Zeit davon. Der größte Fehler ist der, darauf zu warten, dass die Großen mit Großem beginnen. Wenn alle auf den Nächsten zeigen, damit der/die was verändert, was passiert? Nada, niente, nichts.

Natürlich kann jeder Anbieter hingehen und sagen: Schaut, meine Konkurrenz macht es auch nicht besser, und die kommt damit durch. Ganze Länder können auf ferne Regionen deuten und warten, bis sich dort etwas tut. Der Klimawandel ist nur in den Griff zu bekommen, wenn jeder von sich aus beginnt. Dabei geht es zugleich um Sofortmaßnahmen – und um Weitsicht. Land- und Forstwirtschaft, Infrastrukturen und Städtebau, all das muss auf Jahrzehnte neu vorgeplant werden.

Nicht die vielzitierte Digitalisierung, sondern der Klimawandel ist die größte Herausforderung der Menschheit in den nächsten Dekaden. Klima-Entwicklungen sind nicht linear, sie sind exponentiell. Genau das macht sie so trügerisch. Veränderungen erscheinen zunächst harmlos, weil sie kaum wahrnehmbar sind. Erst mit der Zeit kommt es zu einer Beschleunigung, die immer rasanter wird.

Zudem gibt es den Kipppunkt-Effekt. Ist ein Kipppunkt überschritten, ist die Entwicklung weder aufzuhalten noch umkehrbar. Das wiederum erzeugt, weil alles mit allem zusammenhängt, Kettenreaktionen von verheerendem Ausmaß. Die Natur weiter zerstören, „weil wir doch Drohnenbienen bauen können“? Keine Option. Pflanzen und Tiere sorgen für die Energie, die Menschen zum Leben brauchen. Verschwinden sie, dann verschwinden auch wir.

Nur so zum Start: Kauft keinen Scheiß bei scheiß Unternehmen

„Kauf keinen Scheiß bei scheiß Unternehmen“, schreibt der Purpose-Unternehmer Waldemar Zeiler in Unfuck the Economy. Immer mehr Menschen kaufen gezielt weniger ein – und nur noch dort, wo man fair und nachhaltig agiert. Wir shoppen uns sonst den Planeten kaputt. Jeder von uns kann entscheiden, welche Art Anbieter und welche Art Wirtschaft er mit seinen Geldscheinen, sprich Stimmzetteln, unterstützt – und ökologisch bewussten, ressourcenschonenden „guten Konsum“ favorisieren.

Nachfrage ist die einzige Macht, die ein Anbieter nie ignoriert. Insofern kann selbst ein Einzelner eine Menge tun. Als Kunde, Arbeitnehmer, Partner, Investor und Anleger kann jeder sich fragen, ob er/sie mit Unternehmen zusammenarbeiten will, die

  • unseren Planeten plündern, Wälder und Ackerland vorsätzlich verwüsten, den Lebensraum und die Existenzgrundlage ganzer Völker zerstören,
  • Menschenrechte verletzen, weil sie selbst oder ihre Zulieferer die Ärmsten der Armen unter kriminellen Bedingungen arbeiten lassen,
  • Hilfsbedürftige ausbeuten, Steuern hinterziehen und/oder sich Subventionen erschleichen, um Schlechtes billig zu machen.

Klimaschutz heißt nicht zwangsläufig immer Totalverzicht. Vielmehr geht es darum, unser gesamtes Verhalten in nachhaltigere Bahnen zu lenken. Zum Beispiel bei der Lebensmittelverschwendung: Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel landet nicht in unseren Mägen, sondern im Müll. Auf vielfältige Weise können wir alle dazu beitragen, dass sich was ändert, etwa so:

  • Jede nicht gekaufte Billigklamotte sorgt für Nachhaltigkeit.
  • Jedes nicht gegessene Stück Fleisch hilft der Umwelt.
  • Das beste Plastik ist das, das man nicht benutzt.
  • Der wertvollste Strom ist der, den man nicht verbraucht.
  • Das billigste Benzin ist das, das man nicht tankt.

Der Mars als Ausstiegsszenario? Sorgen wir besser dafür, dass unser Heimatplanet lebenswert bleibt.

Wenn wir den Planeten nicht retten, ist alles andere eh egal

Ein klimafreundliches, nachhaltiges und zugleich sozialverträgliches Handeln betrifft jeden einzelnen im Unternehmen, das lässt sich nicht in eine Abteilung wegdelegieren. Zumal die in alten Zeiten aufgebauten Corporate-Social-Responsibility-Units (CSR) vielfach, sorry, zahnlose Tiger sind. Vor ihren Augen werden wie eh und je Externalitäten erzeugt. So manches Unternehmen ist auch heute noch nur aus diesem Grund hochprofitabel.

Wer Externalitäten erzeugt, wirtschaftet zulasten Dritter oder schadet der Umwelt, ohne das zu kompensieren. So macht der Schweinebaron sein Geschäft auf Kosten leidender Tiere in Kastenständen. Der Lebensmittelkonzern lässt ganze Urwälder roden, um billig an Palmöl zu kommen. Der Bekleidungsriese macht Profit auf dem Rücken der Ärmsten in Fernost. Ganze Industrien verfrachten die ausbeuterischsten Formen der Produktion in mittellose Länder – genauso wie ihren toxischen Müll, damit er dort verrottet.

Immer noch allzu oft werden die Kosten für Umweltschäden nicht den Verursachern zugerechnet, sondern sind von der öffentlichen Hand zu berappen. Das bedeutet: Gewinne werden privatisiert und kommen nur einigen wenigen zugute, die Schäden hingegen werden vergesellschaftet, ungeniert auf die Unterprivilegierten abgewälzt, in den globalen Süden verschoben und zulasten künftiger Generationen in die Zukunft verlagert. Doch damit kommen die Unternehmen immer weniger durch.

Keine noch so gut gemachte Schönwetter-Kampagne kann auf Dauer darüber hinwegtäuschen, was ein Anbieter tatsächlich treibt. Klimaneutralität? Gezielt falsch gerechnet und als reine Behauptung enttarnt. Obskure Zertifikate, Greenwashing, Bio-Fakes, erfundene Öko-Siegel, gekaufte Testergebnisse, frisierte Qualitätskontrollen, bestochene Gutachter, Mogelpackungen, die dreisten Lügen der Protagonisten in Werbeclips: Nein, danke. Mit Schmuddelkindern will keiner spielen.

Jetzt seid ihr dran! Jeder und jede von uns kann etwas tun

Jeder kann sich auch bei der Arbeit zu einem Beschützer von Klima und Umwelt machen. Die besten Ideen kommen meist aus der Mitte des Unternehmens. Setzt euch interdisziplinär mit allen an Umwelt und Nachhaltigkeit interessierten Kollegen zusammen und geht immer wieder aufs Neue die internen Bereiche durch, um passende Initiativen anzuschieben. Die Grundausrichtung: vermeiden, reduzieren, eliminieren. Kompensiert wird nur, was man selbst nicht steuern kann. Kompensiert werden auch frühere Nachhaltigkeitssünden.

Nachhaltigkeit ist kein Projekt mit Anfang und Ende. Das hört niemals auf. Es gibt hunderte Ansatzpunkte, wie ein Unternehmen auf immer bessere Weise grüner, ökologischer, klimafreundlicher werden kann. Und es geht nicht nur um die eigene Nachhaltigkeit. Ganz entscheidend wird fortan auch sein, wie ihr eure Kunden gezielt dabei unterstützt, nachhaltiger zu arbeiten und klimafreundlicher leben zu können.

Vernetzt euch mit Nachhaltigkeitsgleichgesinnten, bildet euch fortwährend weiter, lasst euch von externen Experten beraten. Geht die Maßnahmen, die beschlossen werden, positiv an und stellt den Zugewinn heraus, nicht nur den faktischen, auch den emotionalen. Von Einschränkungen fühlen sich die Menschen bedroht. Hingegen kann die Hoffnung auf eine bessere Zukunft Gefühle von Angst und Ohnmacht besiegen und zu entschlossenem Handeln führen. Wer unerlässliche Initiativen selbst entwickelt und dann in die Tat umsetzt, kommt sogar mit Einschnitten besser zurecht.

Besser kein Zwang. Versucht es doch mal mit Nudging

Ein interessantes Konzept ist das Nudging, das der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Richard H. Thaler populär gemacht hat. Dabei geht es um zwanglose Anstöße und smarte Impulse zugunsten einer gewünschten Verhaltensrichtung. Wird beispielsweise die Tellergröße am Buffet reduziert, beugt das der Lebensmittelverschwendung vor. Werden auf einer Speisekarte zuoberst die vegetarischen Gerichte gelistet, wird öfter fleischlos bestellt.

Werden im öffentlichen Verkehr die Radwege rot markiert, parkt man sie seltener zu. In Stockholm wurden die Treppenstufen einer U-Bahn-Station zu einem „Piano“ umfunktioniert. Unter dem Belag verbaute Kontakte erzeugten Töne, wenn man darauf trat. Ging man die Stufen rauf und runter, erklang eine Melodie. Zwei Drittel mehr Menschen benutzten statt der Rolltreppe nun diese Treppe.

Eine Supermarktkette gab in einer Berliner Filiale bei einigen Produkten neben dem tatsächlichen Verkaufspreis auch den „wahren“ Preis an, wie viel man also bezahlen müsste, würden die Hersteller die ökologischen und sozialen Kosten einberechnen: zum Beispiel 7,62 statt 2,79 Euro für 500 Gramm gemischtes Hack. Solche Beispiele machen den Umfang der externalisierten Kosten, in diesem Fall 4,83 Euro, für alle sichtbar – und uns in ihrem Ausmaß überhaupt erst bewusst.

(Dies ist ein Ausschnitt aus meinem neuen Buch “Bahn frei für Übermorgengestalter“.)

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