Von Kunden können alle Manager im Unternehmen eine Menge lernen. Doch vom Schreibtisch aus fällt das sehr schwer. Tauchen Sie also ein ins Konsumentengetümmel, entfliehen Sie dem internen Abschirmprogramm, den Limos mit getönten Scheiben, dem Ghetto der Senator-Lounge.
Betreiben Sie Feldforschung am eigenen Leib. Ein Kunde, der Ihnen mal so richtig die Meinung sagt, kann mehr bewirken als jedes Repräsentativ-Ergebnis aus der Sterilität eines Marktforschungslabors. Repräsentativität ist sowieso Blödsinn, weil man nur nichtssagende Durchschnittswerte erhält.
Konzentrieren wir uns lieber auf die Ausreißer. Gerade von denen erfährt man die nützlichsten Dinge: was absolut klasse läuft und wo es lichterloh brennt. So können gerade „schwierige“ Kunden als Leistungstreiber nach innen dienen. Denn da, wo die größten Kundenprobleme sind, schlummert die höchste Rendite.
Berührungsängste mit Kunden?
Woher rühren bloß die Berührungsängste, die viele Manager haben, wenn es um fundierte Gespräche mit Kunden geht? Ich kenne Führungskräfte, die heilfroh sind, seit ihrer Beförderung „endlich den täglichen Kleinkrieg mit diesen Nullcheckern los zu sein.“ Sie betrachten es als Rückschritt in ihrer Karriere, wieder mit Kunden konfrontiert zu werden!
Ein Großteil der Personaler war noch nie mit Kunden in Kontakt. Ich kenne aber auch die, die Verkäufer zu Kunden begleiten, um live zu erleben, welche Bewerberanforderungen notwendig sind.
Ich kenne Marketingleiter, die eher an gekünstelten Zielgruppendefinitionen basteln, als den Leuten mal aufs Maul zu schauen. Sie begleiten ihre Agentur lieber zum Werbedreh in die Karibik statt sich mal hinter eine Supermarkt-Theke zu stellen.
Und ich kenne Vertriebsleiter, die man eigentlich nur als Verwalter bezeichnen kann. Sie haben zu keiner Zeit selbst verkauft. Um ihre Call Center machen sie einen weiten Bogen, aus lauter Angst, mal ans Telefon gerufen zu werden. Und dann wiederum gibt es die, die täglich im Kundenservice vorbeischauen und selbst Gespräche führen. So kann man den Mitarbeitern ein kundenorientiertes Vorbild sein.
Spielen Sie doch mal Undercover-Boss
Top-Managern fehlt es im Alltag fast immer an offenem und ehrlichem Feedback. Da wüsste ich was: Spielen Sie doch mal Undercover-Boss. So erhalten Sie die Chance, die eigene Firma live zu erleben, ohne ständig hofiert zu werden.
„Ich wollte wissen, an welchen Stellen sich Prozesse und Arbeitsbedingungen optimieren lassen, um Mitarbeitern das Leben leichter und dem Gast das Leben angenehmer zu machen. Und das war tatsächlich möglich, weil beim Dreh alles echt ist, und nichts inszeniert wird“, erzählt mir Marcus Smola, Geschäftsführer der Best Western Hotels, der das Experiment vor laufenden Fernsehkameras wagte.
Selbst wenn eine solche Aktion äußerste Umsicht erfordert, weil sie bei falschem Umgang damit auch nach hinten los gehen kann: Unternehmer müssen am eigenen Leib in Erfahrung bringen, was die Kunden wirklich wollen, um in Rekordgeschwindigkeit auf Marktveränderungen reagieren zu können. „Go and see for yourself!“ nennen die Amerikaner diesen Kurs.
Wie die Mitarbeiter einen Undercover-Boss erleben
Doch wie erleben die Mitarbeiter einen solchen Undercover Boss, wenn die Sache am Ende aufgedeckt wird? Dazu gab es im Personalmarketing Blog ein Interview mit Jan Zilske, Regionalvertriebsleiter beim Tiefkühl-Heimservice Eismann, das ich hier gekürzt wiedergebe:
„Was war Ihr erster Gedanke, als Sie erfahren haben, dass „Rico Meissner“ in Wirklichkeit ihr Chef Mika Ramm ist?“
„In dem Moment, als ich den Zusammenhang realisiert habe, sind mir wahnsinnig viele Dinge durch den Kopf gegangen. Man fängt dann unweigerlich damit an, die gesamte Szenerie noch einmal durchzuspielen.“
„Kam Ihnen nie der Gedanke, dass es sich um Ihren Chef handeln könnte?“
„Man ist als Laie vor einer Fernsehkamera so stark auf seine eigene Person konzentriert, dass überhaupt keine Zeit für solche Zweifel bleibt.“
„Hatten Sie, nachdem die Undercover-Aktion aufgedeckt wurde, nicht das Gefühl, kontrolliert worden zu sein?“
„Absolut nicht. Wenn man den ganzen Tag von einer Fernsehkamera begleitet wird, sollte einem klar sein, dass diese Bilder später jeder sehen wird.“
Seine TV-Erfahrungen konnte Jan Zilske später übrigens in einen Workshop einbringen, in dem neue Inhalte für das Eismann-Firmenfernsehen erarbeitet wurden.