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Touchpoint Management Empfehlungsmarketing

Zero Moments of Truth: die entscheidenden Momente der Wahrheit gestalten

Das alte Marketing mit seinen überholten Modellen glaubt tatsächlich noch immer, man müsse auf Teufel komm raus um Aufmerksamkeit heischen, deshalb stalkt uns die Werbung und brüllt auf allen Kanälen laut rum. Solch nervige Werbung will keiner mehr, sie wird zunehmend blockiert.

Das neue Marketing hat indessen verstanden, dass Kunden die wirkungsvollsten Werber sein können, wenn man sie dazu macht: Missionare, Botschafter, Fürsprecher, Vorverkäufer. Im Kundenbeziehungsmanagement geht es also darum, seine Kunden bis zum Empfehler weiterzuentwickeln – und zwar mit System. Doch viele Anbieter sind längst durchs Rost gefallen, bevor es überhaupt zu einem ersten direkten Kontaktversuch kommt.

Immer mehr anschaffungswillige Kunden steuern zunächst die webbasierten O-Töne Dritter an. Je nach Branche fallen weit über 50 Prozent aller Kaufvorentscheidungen heute im Web. Im B2B sind es sogar bis zu 90 Prozent, weil inzwischen nahezu die komplette Vorrecherche online passiert. Das bedeutet: Ohne es zu merken, verlieren schlechte Anbieter die meisten potenziellen Kunden alleine durch das Internet.

Alles kommt vor die Augen der Öffentlichkeit

Heute erzeugt alles, was die Anbieter von sich geben und tun, öffentliche Resonanz. Ist sie negativ, dann schadet dies Image und Umsatz empfindlich. Und selbst wenn sie positiv ist, müssen Unternehmen dies moderieren. Denn auch Einzelmeinungen können heute ein großes Gewicht bekommen, wenn sie von Tausenden gelesen werden.

Im Social Web gibt es keine Geheimnisse mehr. Besser also, die Dinge, die nicht entdeckt werden sollen, erst gar nicht zu tun. Wer schlechte Leistungen erbringt, verheimlicht, verschleiert, bei Leistungsfeatures lügt oder bei der Preisgestaltung betrügt und so den Kunden über den Tisch ziehen will, bekommt jetzt blitzschnell Probleme.

Gebloggter, getwitterter oder den Meinungsportalen anvertrauter Unmut erreicht heute innerhalb von Minuten die breite Öffentlichkeit – und wird von den sensationshungrigen Medien dankbar recycelt. Solche Meldungen beeinflussen Käuferentscheidungen zunehmend stärker als jede noch so gute gemachte Unternehmenskommunikation.

Doch ist das dem Management deutlich bewusst?

Wenn ich bei Managementtagungen einen Vortrag halte, stelle ich den Teilnehmern gern folgende Frage: „Welches ist der erste Kontaktpunkt, den ein potenzieller Kunde mit Ihrem Unternehmen hat?“ Die Antworten fallen – über alle Branchen hinweg – sehr ähnlich aus:

Der Interessent kommt vorbei, er ruft an, er mailt, er erhält Unterlagen, er geht auf unsere Website, er wird von einem Außendienst-Mitarbeiter besucht … . Hieran erkennt man die immer noch vorherrschend selbstzentrierte Sichtweise der Managementcrew. In Wirklichkeit entstehen die ersten Kontakte ja schon sehr viel früher:

  • In seinem persönlichen Umfeld oder in den Medien hört beziehungsweise liest der Interessent ganz beiläufig etwas über ein Unternehmen und seine Angebote. Diese Meinung, sei sie positiv oder negativ, wird für den ersten Eindruck und damit auch die Vorauswahl maßgeblich sein.
  • Der Interessent befragt Kollegen oder Freunde, was sie zu einem Unternehmen und dessen Produkten und Services sagen können. Und deren Meinung zählt.
  • Ein Interessent googelt das Unternehmen und stößt dabei auf zu- oder abratende Einträge in Foren und Blogs oder auf Meinungs- und Bewertungsportalen. Und diese beeinflussen das weitere Interesse in aller Regel erheblich.

So kommt es, dass viele Unternehmen es sich mit ihren Interessenten bereits verscherzt haben, noch bevor es überhaupt einen ersten direkten Kontaktversuch gab. Spätestens jetzt wird nun klar, wie intensiv man sich im Rahmen eines Touchpoint-Projekts gerade mit den einem Kaufwunsch vorgelagerten „neuen Momenten der Wahrheit“ beschäftigen muss.

Die neuen „Momente der Wahrheit“

Dabei spielen Meinungsportale, User-Foren, Erfahrungsberichte, Blogbeiträge, Mundpropaganda und Weiterempfehlungen eine zunehmend wichtige Rolle. Google nennt das die „Zero Moments of Truth (ZMOT)“. Damit ist gemeint, dass eine Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Leistung auf Basis der Hinweise Anderer gefällt wird, ohne also mit dem Anbieter direkt zu interagieren.

Zero Moments of Truth erzählen von den Bewährungsproben, die ein Anbieter bei anderen Kunden bereits erfolgreich gemeistert hat – oder auch nicht. Hierbei greifen Interessenten auf durchschnittlich mehr als zehn Webinhalte zu, bevor sie eine Entscheidung treffen. Suchmaschinen werden so zu Verbindungsmaschinen, die helfen, das Gute vom Schlechten zu trennen.

Für den Autokauf wurde einmal wie folgt gefragt: „Welche Info-Quellen haben Sie im Rahmen des Kaufentscheidungsprozesses aktiv genutzt, um sich zu informieren?“ Folgende Zahlen wurden von Progenium dazu ermittelt:

  • Das Internet 59 %
  • Händler/Verkäufer 31 %
  • Prospekte/Preislisten 16 %
  • Homepage der Hersteller/Händler 7 %
  • Gespräche mit Dritten 6 %
  • Fachzeitschriften 5 %
  • Probefahrt 3 %

Und dies ist nur ein konkretes Beispiel von vielen.

Zweimal zwei Dinge sind vorrangig zu tun

Online gut dazustehen muss deshalb eine Daueraufgabe des gesamten Unternehmens sein. Dabei sind zwei mal zwei Dinge zu tun: An jedem Touchpoint, den Interaktionspunkten zwischen Anbieter und Kunde, ist zunächst sicherzustellen,

1. dass das, was dort passiert, empfehlenswert ist, und
2. dass passende Empfehlungselemente eingebaut werden.

Das heißt konkret: Egal, ob B2B oder B2C, alle unternehmerischen Maßnahmen müssen so gestaltet werden, dass sie ihren Beitrag zu Word of Mouth (WOM), also einer positiven Mundpropaganda leisten. Die neuen Sales- und Marketingvorgaben lauten danach wie folgt:

1. Entwickle die Kunden, die schon da sind, bis zum Empfehler weiter!
2. Mach die, die nicht Kunde werden (können), zu Mundpropagandisten!

Hierbei kann das Touchpoint Management sehr hilfreich sein. Die nächsten Beiträge zeigen, wie das funktioniert.
Grafik-Kaufkreislauf-mit-WOM

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3 Antworten auf „Zero Moments of Truth: die entscheidenden Momente der Wahrheit gestalten“

Liebe Anne, Sie sezieren die Realität und Trends auf den Punkt.
Ich schätze Ihre direkte, untheatralische, analytische Schreibweise UND verstehe Sie.
Sie erreichen mich, so wie Sie uns vermitteln, wie wir unsere Kunden besser erreichen, verstehen und zum Abschluss geleiten können.
Sie sind nur 2 Jahre älter und mir ein Vorbild, nicht am Althergebrachten zu hängen, nur weil wir es vor 40 Jahren schon so gemacht haben.
Sie bereichern mein Leben und ich danke Ihnen für alle Impulse über die Jahre!
Herzliche Grüße, TiLO

Guten Morgen Anne,
Sie bringen im Grunde alte Weisheiten klar und gut geschrieben auf den Punkt.
Der Kunde ist auch nur ein Mensch und der Kontakt passiert wo sonst genau da.
Komisch dass das immer wieder vergessen wird und Unternehmen vor lauter Selbstdarstellungszwang nichts mehr sehn. Sollte das vielleicht an den Selbstdarstellern liegen, die da in Entscheidungspositionen sitzen, schön gemütlich, mit hohen Gehältern und großen Profilneurosen….

Grüße von Regina, zur Zeit völlig frustrierte Assistentin in Marketing und Vertrieb

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