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Unternehmensführung

Wie die Zusammenarbeit mit Startups gelingt und was man von ihnen lernen kann

Um sich rasch digital zu transformieren, gibt es für etablierte Unternehmen eine Reihe von Möglichkeiten:

  • Nutzen Sie Ihre jungen Mitarbeiter für eine schnelle Weiterentwicklung. Viele Millennials sind Digitalexperten und Transformationstalente pe se.
  • Engagieren Sie passende Freelancer für digitale Projekte. Wie Freelancer ticken und was bei der Zusammenarbeit zu beachten ist, habe ich hier erläutert.
  • Umgeben Sie sich mit einem Innovation Lab. Was dabei zu beachten ist, erläutert Alex T. Steffen, Mitautor von Fit für die Next Economy, in seinem Gastbeitrag.
  • Kooperieren Sie mit passenden Startups. Deren wagemutige Gründer entwickeln sehr oft Ideen, die die Dinge so schnell und umfassend verändern wie niemals zuvor. Was dabei zu beachten ist, zeigt dieser Beitrag.

Die Architektur und Kultur innovativer Startups

Startups, um diesen Begriff zunächst zu erklären, sind Unternehmen, die sich mit noch jungen, teils hochinnovativen Produkten, Services oder Ideen in einer frühen Unternehmensphase befinden und einen skalierbaren Erfolg vor Augen haben.

Die Architektur innovativer Startups ist geprägt von Offenheit und Vernetzung. Die Orte der Arbeit sind meist minimalistisch und sehr funktional. Sie formen die Grundlage für Kollaboration und Konnektivität. Die Prozesse sind stets hoch flexibel und laufen zügig ab. Ermöglicht wird das durch Prototyping und Iteration.

Zwar haben steife Vorgaben in Startups keinen Platz. Mehr noch als in Großunternehmen würden sie hier zu Verzettelung, Frust und Effizienzverlust führen. Dennoch braucht es ein Mindestmaß an Strukturen, Routinen und die Standardisierung von Basisprozessen.

Das Credo ist Kundenorientierung statt Prozessoptimierung. Dies erfordert, dass die Prototypisierung beim Kunden beginnt – und nicht in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Dieses Vorgehen hilft dabei, den Kunden zu verstehen, um so Angebote zu erstellen, die dessen Bedürfnisse perfekt bedienen.

Bei den Kollaborationswerkzeugen setzen Startups gerne auf Cloud-basierte Lösungen. Dann hat jeder im Team von jedem beliebigen Ort und zu jeder Zeit Zugriff auf die Projekte. Erst das ermöglicht die schnelle Iteration, egal wie groß das Team ist.

Was Unternehmen von Startups lernen können

Die Kultur innovativer Startups basiert auf ständiger Weiterentwicklung sowie auf Kundenzentrierung. Zudem schaffen Startups ein Lernumfeld, in dem Mentoring, konstruktives Feedback und eine ausgeprägte Fehlerlernkultur etabliert sind. Die folgenden fünf Punkte sind dabei essentiell:

Pivotieren:

Das ist ein kontrollierter Kurswechsel, das Umschwenken, bevor es zu spät ist. Ursprünglich geplante Vorgehensweisen werden sofort über Bord geworfen, wenn sie sich als marktuntauglich erweisen. Ein Pivot ist allerdings kein Komplettausstieg, sondern bedeutet, dass mindestens ein Aspekt des ursprünglichen Geschäftsmodells gezielt geändert wird. Als etwa Kevin Systrom, Mitgründer von Instagram, erkannte, dass die User den Instagram-Vorläufer Burbn hauptsächlich wegen der Fotoposting-Funktion nutzten, richtete er sein Startup neu aus und legte damit den Grundstein für die Instagram-Erfolgsgeschichte. In Unternehmen alter Schule hingegen hält man an laufenden Projekten und/oder an seiner Jahresplanung auch dann immer noch fest, wenn die Nichtmachbarkeit längst absehbar ist. Bewahren wollen ist dort die Norm. Und die daraus folgende Verachtung für gescheiterte Vorhaben ist legendär.

Verschwendung vermeiden:

Dies ist ein Grundprinzip in agilen Jungunternehmen, denn Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Mitarbeitern sind ständig knapp. Aufwendige Statusberichte, unnötige Meetings sowie die gesamte Selbstbeschäftigungsbürokratie klassischer Organisationen sind dort tabu. Generell arbeitet man viel mit Freelancern zusammen. Bei Arbeitsspitzen versorgt man sich mit „Staff on Demand“. Die Fixkosten werden so niedrig wie möglich gehalten. Man zahlt für Zugang und Nutzung, nicht für Besitz. Das systematische Teilen von Wissen führt zu einer äußerst produktiven Form der Zusammenarbeit. Das „Sharen“ von Gegenständen, bei dem das Web als Organisationsplattform dient, spart Geld und schont die Umwelt. Wenn alle ihr geistiges und materielles Eigentum teilen, bleibt mehr für alle. So mischt sich Unternehmertum mit sozialem Engagement.

Iteratives Lernen:

Die Geschäftsidee selbst sowie die dazugehörigen Produkte und Lösungen werden inkrementell, also schrittweise entwickelt. Zudem werden sie iterativ, also über permanente Lernschleifen mithilfe von Kundenmeinungen optimiert, um frühzeitig auszusondern, was niemand braucht. So kommt validiert nur das auf den Markt, wofür die Menschen tatsächlich Geld ausgeben wollen. Bei der Ideation, der Ideenentwicklung, nutzt man das Prinzip der „Weisheit der Vielen“. Die besten Ideen kommen dabei oft von draußen. Das ständige Feedback über testen – lernen – verbessern – testen – lernen – verbessern macht sofortige Kurskorrekturen möglich. Hierzu werden nutzbare, minimal funktionsfähige Produkte (Minimal Viable Products) schnell auf den Markt gebracht und sukzessive durch User in deren realem Umfeld getestet. Überflüssiges kommt frühestmöglich weg. Brauchbares wird in einem laufenden Prozess optimiert. Permanent „Beta“ nennt man das auch. Ein prima Nebeneffekt: Über Updates ist man regelmäßig in Kontakt mit seinen Kunden.

Vom Kunden her denken:

„Raus auf die Straße, Nutzer beim Anwenden beobachten und mit (potenziellen) Kunden reden“, ist eine Basisdevise. Wer zum Beispiel eine App für junge Zielgruppen entwickelt, geht in ein Café, spendiert ein paar jungen Leuten einen Drink, schaut ihnen über die Schulter und lauscht ihren Kommentaren, während sie mit der App hantieren. In traditionellen Unternehmen hingegen wird eine vermeintlich perfekte Lösung Inhouse nach eigenem Gusto entwickelt, dann in den Markt geworfen und in einer Rückschau durch aufwendige Kundenzufriedenheitsuntersuchungen validiert. Repräsentativität sei aber doch wichtig? Unsinn! Wenn 10 von 10 Testern ein Leistungsmerkmal unerträglich oder unnötig finden, ist das ziemlich aussagekräftig.

Skalieren:

Skalieren bedeutet, dass sich ein Grundmodell relativ mühelos um einen Faktor X vervielfachen lässt. Digitale Lösungen haben dabei einen entscheidenden Vorteil: Bei ihnen verursacht eine Skalierung kaum Kosten. Ein physisches Produkt oder ein Filialkonzept zu multiplizieren kann sehr aufwendig sein. Das Duplizieren einer Anwendung oder der Zuwachs um ein paar hunderttausend Webportalnutzer hingegen kostet so gut wie nichts. Oder: Die üblichen Werkstattbesuche sind für einen Autobesitzer mühsam und teuer. Das Aufspielen einer neuen Software, etwa beim Tesla, geht virtuell, wobei die Updates bei allen Autos gleichzeitig erfolgen. Insofern streben Gründer vorrangig nach hohen Skalierungseffekten bei Grenzkosten, die gegen Null tendieren. Das macht sie für den Kapitalmarkt sehr interessant. Nach einer Durststrecke des Aufbaus sind extrem hohe Wertsteigerungen möglich.

Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Startups

Konkretisiert sich in etablierten Unternehmen der Wunsch nach einer Zusammenarbeit, dann ist zu sondieren, welche Form dafür die richtige ist. Das hat sowohl mit der eigenen Firmengröße als auch mit der Branche und den zu erreichenden Zielen zu tun. Hier die beiden geläufigsten Möglichkeiten:

Kooperation:

Startups, die erfolgreich am Markt unterwegs sind, können attraktive Kooperationspartner sein. Es ist einfach klüger, gemeinsame Sache mit passenden Gründern zu machen, statt sich von ihnen überrollen zu lassen. Solche Kooperationen können einem einmaligen Projektzweck dienen oder auf Langfristigkeit ausgelegt sein.

Dazu müssen die Beteiligten die Ziele und individuellen Arbeitsweisen der jeweils anderen Seite verstehen. Startups benötigen von etablierten Unternehmen das Knowhow, die Sicherheit, den Zugriff auf Ressourcen und den Zugang zu einem bereits bestehenden Kundenkreis. Die Etablierten können von der Agilität, dem Wagemut und dem Erfindungsreichtum der Startups profitieren.

Wie sich passende Partner finden lassen? Das beginnt mit folgenden Fragen:

  • Welche Kooperationsfelder könnten uns weiterbringen?
  • Wie können unsere Kunden davon profitieren?
  • Für wen sind wir als Kooperationspartner interessant?

Danach beginnt die Suche. Ausschreibungen, Startup-Scouts und Eigenrecherchen helfen dabei. Ist eine Liste mit Wunschpartnern erstellt und die Kontaktaufnahme erfolgreich, wird die Zusammenarbeit entwickelt. Die Partner müssen sowohl fachlich als auch menschlich gut harmonieren. Jede Beziehung schafft ja auch Abhängigkeiten. Und kooperationsungeeignete Partner können sehr schnell Probleme machen.

Prüfen Sie also sorgfältig, mit wem Sie ins Kooperationsboot steigen. Das positive oder negative Verhalten und der gute oder schlechte Ruf Ihrer Partner fallen immer auch auf Sie zurück. Vor allem mittelständische Unternehmen haben bei der Zusammenarbeit mit Startups gute Karten, weil sie eine eher schlanke Organisation mit kurzen Entscheidungswegen und schnellen Reaktionsmöglichkeiten haben.

Inkorporation:

Dabei will man sich entweder Startups, die die eigenen Geschäftsfelder bedrohen, durch einen Aufkauf vom Hals halten. Oder man will das eigene Portfolio bereichern und ernsthaft von der Expertise der Jungunternehmer profitieren. In beiden Fällen braucht es Profis für Mergers & Acquisitions, damit keine Fehler passieren.

Soll der Zusammenschluss einträglich sein, braucht es zudem Kulturmoderatoren. Klassische Fusionen, das ist seit Jahren bekannt, scheitern fast immer an der Nichtvereinbarkeit der Unternehmenskulturen. Zahlenmenschen und Analytiker unterschätzen dabei vor allem die Macht der Emotionen. Will man also die vorgegebenen Ziele erreichen, muss man für Startups ein derartiges Spielfeld schaffen, dass sie zur Hochform auflaufen können. Doch leider …

Die Geschichten, die über gescheiterte Integrationen kursieren, sind teils erschütternd. Meist beginnen sie damit, dass ein Bürokratie-Monster über das inkorporierte Unternehmen hereinfällt, was erst mal wochenlang alle am eigentlichen Arbeiten hindert – und aus Kundensicht Stillstand bedeutet. Dann kommen die Anweisungen, die endlosen Abstimmungsprozesse, die Planungsrunden, die Budgetrestriktionen, der Kompetenzwirrwarr, das Zuständigkeitsgezerre, die Reportingexzesse, die Insellösungen, die vertagten Entscheidungen, die Machtkämpfe, die Grabenkriege, die zermürbenden Debatten mit Bedenkenträgern, kurz, die ganze Palette dessen, was in einem „normalen“ Unternehmen Usus ist.

Von Höchstleistungen kann dann schon bald keine Rede mehr sein. Kluge Köpfe lassen sich eben nicht gerne gängeln. Im falschen Umfeld gehen sie ein wie die Primeln. Oder sie verlassen das neue Unternehmen zum erstbesten Zeitpunkt. So sind Erfolgsstorys von gelungenen Integrationen tatsächlich rar. Gelingen kann es, wenn man bestehende Kulturunterschiede akzeptiert und vor allem die Innovationskraft der angedockten Startups bewahrt.

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