Es sind nicht „die Unternehmen“, die die Digitalisierung vorantreiben, bahnbrechende Innovationen initiieren und zukunftsfähige Geschäftsmodelle entwickeln (oder auch nicht). Ja oder Nein sagt immer ein Mensch, so ein Resümee meines letzten Blogbeitrags. Und das ist auch eine Frage des Persönlichkeitstyps.
Warum handeln so viele Manager kaum?
Natürlich wird Wandelwille heftig bekundet, doch tatsächlich passiert viel zu oft viel zu wenig. Was wir in den Unternehmen weitläufig sehen, ist verbale Aufgeschlossenheit bei anhaltender Verhaltensstarre. „Ja, man müsste eine Menge verändern, aber dafür ist grad jetzt keine Zeit“, höre ich oft. Die Erkenntnis ist also da – doch es gibt Umsetzungsprobleme. Was sind die wahren Gründe dafür?
• Es fehlt am notwendigen Wissen und Können.
• Man klammert an überholten organisationalen Strukturen.
• Es ist eine Frage des Persönlichkeitstyps.
Wollen, Wissen und Können spielen eine entscheidende Rolle, wie wir in kommenden Beiträgen hier im Blog sehen. Was hingegen viel zu selten beleuchtet wird: Veränderungsbereitschaft ist ganz simpel auch eine Frage der individuellen Biochemie. Schauen wir uns also zunächst einmal an, wie die Menschen so ticken.
Die Gewohnheiten altern sehr oft mit
„Use it or lose it“, so funktioniert unser Gehirn, dieses Wunderwerk von knapp anderthalb Kilo. Was wir wiederholt tun, erzeugt zerebrale „Trampelpfade“, die vorzugsweise begangen werden. So verfestigt sich Denken und Handeln. Neuronale Verbindungen hingegen, die nicht regelmäßig stimuliert werden, verwildern, das heißt, sie entwickeln sich zurück, was zum Beispiel bei Fremdsprachen gut zu beobachten ist.
Schließlich, und das scheint der Hauptgrund für mehr oder weniger stark ausgeprägte Veränderungsbereitschaft zu sein, gibt es eine genetische Disposition. So sehen manche in jedem „Neu“ eine Verheißung. Andere sehen darin nicht Chance, sondern Gefahr. Derartige Grundeinstellungen werden in hohem Maße durch Neurochemie dirigiert. Sie ist die übermächtige Mitgift einer jahrmillionenlangen Vergangenheit.
Zudem verändern sich im Laufe des Lebens die zerebralen Prozesse. So wird im männlichen Gehirn, wie die obige Grafik zeigt, mit fortschreitendem Alter die Ausschüttung der Dampfmacher Testosteron und Dopamin reduziert, wohingegen die Ausschüttung des Einhalt gebietenden Stresshormons Cortisol steigt. Dies sorgt für mehr Vorsicht, begünstigt Routinen und mildert jedes Rebellentum.
Die Neurologik der Persönlichkeit
Eine wesentliche Basis dafür, dass notwendiger Wandel gelingt, sind unsere meist unbewusst wirkenden Emotionssysteme. Dazu habe ich den Neurowissenschaftler Hans-Georg Häusel, der mit seinen „Limbic Types“ für Furore gesorgt hat, befragt. Folgendes hat er mir dazu geschrieben:
„Wer den emotionalen Programm-Mix kennt, durch den Mensch und Unternehmen angetrieben werden, ist ihm nicht ausgeliefert, sondern kann ihn zu seinem Nutzen gestalten. Folgende vier Emotionssysteme sind nicht nur die Basis der menschlichen Persönlichkeit, sie bilden auch das Grundgerüst jeder Unternehmensdynamik:
• Das Balance-System ist unser System für Sicherheit und Stabilität.
• Das Harmonie-System ist unser System für Bindung und Nächstenliebe.
• Das Stimulanz-System ist unser System für Neugier und Exploration.
• Das Dominanz-System ist unser System für Leistung und Durchsetzung
Das Dominanz-System steht für Leistung und Expansion, das Harmonie-System für ein menschliches Miteinander. Das Stimulanz-System sucht das Neue, während das Balance-System das Bestehende bewahren will. Diese Kräfte stehen in einem Spannungsverhältnis. Gutes Management bedeutet, die Kräfte richtig auszutarieren.“
Was das für die Unternehmen bedeutet
„Jedes Unternehmen“, so Häusel weiter, „lebt in einem eigenen Umfeld, deswegen gibt es nicht die eine ideale Kräftedynamik. Digitale Pioniere wie Apple, Google etc. brauchen eine extrem hohe Stimulanz-, aber auch Dominanz-Ausprägung. Die katholische Kirche, das erfolgreichste Unternehmen aller Zeiten, ist gut beraten, stärker im Balance- und Harmonie-Bereich zu sein.
Allerdings ist es in Zeiten des digitalen Wandels für viele Unternehmen notwendig, die Stimulanz-Kraft zu verstärken. Doch wie gelingt das? Die autoritäre Führung (Dominanz = Macht, Balance = Kontrolle) muss aufgebrochen werden. Und die Unternehmenskultur muss in Richtung Stimulanz verändert werden. Der wichtigste Schritt dabei ist der, die richtigen Mitarbeiter*innen einzustellen und zu fördern.
Jeder Mensch besitzt alle Emotionssysteme, doch sie sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt. 50 Prozent sind angeboren, 30 Prozent werden in der frühen Kindheit festgelegt, die verbleibenden 20 Prozent sind im Erwachsenenalter noch modellierbar. Die meisten Menschen haben einen emotionalen Schwerpunkt, aus dem heraus sie die Welt betrachten und der ihr Verhalten bestimmt.“
Im Rahmen der größten europäischen Markt-Media-Studie Best for Planning (B4P) werden auch die Limbic® Types erhoben. Die Abbildung zeigt die repräsentative Verteilung der deutschen Bevölkerung. Erster Eindruck: eher wenige mit Erneuerer-Potenzial (orange und rot), sehr viele mit Tendenz zum Bewahrer (grün und blau).
Und welchen Typ braucht die Zukunft?
Welchem Typus entsprechen nun die Quer- und Weiterdenker, die Voranstürmer und Neumacher im Unternehmen, möchte ich abschließend wissen. „Auf Platz eins“, so Häusel, „steht der sogenannte Abenteurer. Er hat nämlich die Pionier-Persönlichkeit, die wahren Querdenkern eigen ist. Zum einen ist er neugierig (Stimulanz), zum anderen hat er auch die Kraft, sich gegen Widerstände zu behaupten (Dominanz).
Platz zwei belegen die Hedonisten. Sie sind extrem neugierig und spielen gerne Entdecken. Doch leider sind sie nicht stringent in der Durchsetzung. Kombiniert man sie aber im Team mit Performern (Platz drei), wird die kreative Idee umsetzbar. Performer sind noch ein Stück offen für das Neue, ihre Stärke liegt aber in der strategischen Umsetzung und Durchsetzungsfähigkeit.
Wer wirkliche Innovationen im Unternehmen will, sollte also dafür sorgen, dass diese drei Limbic® Types überproportional in den entscheidenden Teams vertreten sind. Selbstverständlich braucht es die anderen auch: Die Disziplinierten sind Detaildenker, das ist wichtig, wenn es zur Umsetzung kommt. Die Traditionalisten sind risikoscheu. Auf sie ist zu hören, wenn es um belastbare Risikokalkulationen geht.
Die Harmonisierer machen mit und sorgen für ein gutes Teamklima. Und die Offenen sind wichtige Unterstützer. Man findet sie selten an der Spitze der Bewegung, aber sie sind, wenn der Zug mal in Bewegung ist, mit Feuer und Flamme dabei.“ Wer mehr zum Thema wissen will, dem empfehle ich Hans-Georg Häusels neues Buch „Life Code“.