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Touchpoint Management

Touchpoint-Analyse (Teil 3): Zwischen Enttäuschung und Begeisterung

In den beiden vorangegangenen Beiträgen ging es darum, die Touchpoints, an denen ein Kunde mit einem Unternehmen in Berührung kommt oder kommen könnte, adäquat zu listen. Daraufhin ist nun zu ergründen, ob im jeweiligen Fall die Kundenerwartungen verfehlt, erfüllt oder übertroffen wurden.

Dabei werden in gängigen Verfahren gern die folgenden Bewertungsstufen verwendet: negativ, neutral, positiv. Die ganze Emotionalität, die einen Kunden befallen kann und meist auch befällt, wenn er ein Produkt ersteht oder eine Dienstleistung nutzt, kommt mir dabei allerdings reichlich zu kurz.

Denn jede Erfahrung, die ein Mensch macht, wird ja emotional markiert und so im zerebralen Erfahrungsspeicher notiert. Als ‚like‘ oder ‚dislike‘ wird sie dem Umfeld dann schließlich bekanntgegeben. Um diese Emotionalität sichtbar zu machen, favorisierte ich eine Vorgehensweise, bei der jeder Touchpoint auf seine Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren analysiert wird.

Erwartungen verfehlt, erfüllt oder übertroffen?

Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren können durch die eigenen Mitarbeiter identifiziert oder mithilfe von Kunden für jeden Touchpoint ermittelt werden. Man stellt (sich) die Frage, was der Kunde im Einzelnen erwartet und im Vergleich dazu erhält. Das Ergebnis vibriert zwischen herber Enttäuschung und hemmungsloser Begeisterung, zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.

Ist ein Kunde enttäuscht, wird er Sie herbe bestrafen: mit Unbequemlichkeit, Nörgelei, verschärfte Reklamationen, anspruchsvolle Forderungen, verminderte Kaufpreise, Rechnungskürzungen, Fahnenflucht, üble Nachrede und Sabotageakten. All das tut er mit hohem Zerstörungsdrang. Sein Motiv? Rache! Vergeltung für empfundenes Unrecht! Solches Empfinden ist immer subjektiv – und es kann eine Menge Energie entfalten. Dabei wird zunehmend der „Anwalt“ gewählt, der am meisten Druck machen kann: die digitale Öffentlichkeit.

Ist der Kunde hingegen begeistert, dann kauft er mit (Vor-)Freude ein – und immer wieder gern. Dann ist er blind und taub für den Wettbewerb. Dann wird er zum Fan, zum Fürsprecher und Meinungsmacher. Dann empfiehlt er Sie weiter, wo er nur kann. Ich nenne das den ‚Rosarote-Brille-Effekt‘. „Wo Begeisterung zum Vorschein kommt, verschwindet die Gleichgültigkeit”, sagt der österreichische Aphoristiker Ernst Ferstl in seinem Buch Lebensspuren.

Enttäuschungsfaktoren sondieren

Mit dieser Kategorie von Merkmalen können Sie Ihre Kunden weder begeistern noch zufriedenstellen, aber Sie können es sich gründlich mit ihnen verderben. Wenn Sie beispielsweise in einem Elektroladen eine Designerlampe erstehen und den dortigen Elektriker beauftragen, diese bei Ihnen zu montieren, werden Sie eine schlussendliche Funktionsprüfung erwarten.

Wird diese nicht durchgeführt und stellen Sie fest (kaum dass der Elektriker das Haus verlassen hat), dass die Lampe nicht brennt, werden Sie frustriert und unzufrieden sein. Macht er die Prüfung, ist das für Sie ganz normal. Mängel oder Fehler bei Enttäuschungsfaktoren tolerieren wir nicht, da es sich dabei ganz einfach um Selbstverständlichkeiten handelt.

Unsere negative Reaktion ist vor allem dann vehement, wenn man obendrein noch patzige Antworten bekommt, wie etwa die, man möge sich wegen der Kleinigkeit nicht so aufregen, das könne schon mal passieren. Explosiv wird es dann, wenn das, was uns ganz besonders am Herzen liegt, uns bitter enttäuscht. In einer funktionierenden Kundenbeziehung dürfen keinerlei Enttäuschungsfaktoren vorkommen, denn das bringt ganz schnell heftigen Ärger.

Ärger fordert Vergeltung

Ärger ist eine verschärfte Form von Enttäuschung. Gerade Fehler bei Nichtigkeiten geben dem Kunden das Gefühl der offensichtlichen Missachtung. So gilt es zu identifizieren: Welche Aspekte sind für Ihre Kunden ein absolutes Muss?

Und stellen Sie sicher, dass zumindest diese dann bei jedem Kunden immer hundertprozentig erfüllt werden. Über alle Branchen hinweg sind das Themen wie Sicherheit, Sauberkeit, Höflichkeit und Ehrlichkeit. Zusatzleistungen bleiben völlig wirkungslos, solange es noch herbe Enttäuschungsfaktoren gibt.

Ziel bei den Enttäuschungsfaktoren: 0 Prozent Unzufriedenheit = 0 Prozent Bestrafung = Vermeidung von Illoyalität und negativer Mundpropaganda.

OK-Faktoren ermitteln

Wer über die Vermeidung von Unzufriedenheit hinauswill, muss an den OK-Faktoren arbeiten. Mit diesen haben Sie im Gegensatz zu den Enttäuschungsfaktoren zumindest die Chance, den Kunden zufrieden zu stellen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Freundlichkeit. Ist Ihr Elektriker bei der Montage unfreundlicher als Sie erwarten dürfen (denn schließlich sind Sie der Kunde), werden Sie unzufrieden sein, auch wenn die Lampe funktioniert.

Ist er so freundlich wie Sie es von einem Handwerker erwarten, werden Sie weder unzufrieden noch begeistert sein. Übertrifft er aber Ihre Freundlichkeits-Erwartungen deutlich, werden Sie – wenn die Lampe dann immer noch funktioniert und er nicht nur nett mit Ihnen geplaudert hat– ihn wahrscheinlich auch beim nächsten Mal mit einem Auftrag belohnen.

OK-Faktoren sind, aus Sicht des Kunden betrachtet, eine Selbstverständlichkeit. An die große Glocke hängen („Wow, die Lampe funktioniert!“) wird er sie nicht. Und als Anbieter dafür zu werben („Die von uns montierten Lampen funktionieren.“), das würde nur albern klingen.

Zunächst muss die Basis stimmen

Dennoch sind die OK-Faktoren zu identifizieren und es ist dafür zu sorgen, dass zumindest das erwartete beziehungsweise als selbstverständlich erachtete Niveau immer erreicht wird. Dazu gehören termingerechte Lieferungen, vollständige Bestellungen usw. Dem Kunden kommt es wahrscheinlich gar nicht auf den ganzen Service-Schnickschnack an, der bei Ihnen eine Kostenexplosion bewirkt. Für ihn müssen zunächst die Kernleistungen stimmen. Einfach, praktisch und schnell muss es gehen. Und die Mitarbeiter sollen achtsam, vorsorglich aktiv, kompetent und hilfsbereit sein.

‚Freundlich aber ahnungslos‘ ist definitiv unzureichend. Denn ein Mangel an Kompetenz kann durch naive Freundlichkeit nicht kompensiert werden. Wer wirklich Hilfe braucht, will nicht mit einem unbeholfenen Lächeln abgespeist werden. Mich macht sowas immer ganz wütend. Und Wut hat, wie wir schon wissen, ein sehr mächtiges Negativ-Potenzial. Bevor wir uns also an die Service-Extras machen, müssen zunächst die Basisleistungen stimmen.

Ziel bei den OK-Faktoren: 100 Prozent Erfüllung der Kundenerwartungen.

Wie es weitergeht

Im nächsten Beitrag geht es dann um die Königsdisziplin im Touchpoint Management: die Kundenbegeisterung.

Alles weitere zum Thema Touchpoints finden Sie in meinem gleichnamigen Buch, das kürzlich in 4. Auflage erschienen ist und als Trainerbuch des Jahres ausgezeichnet wurde.

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