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Wie Mitarbeiter-Engagement entsteht (4/5): Wir-Gefühl und Verbundenheit fördern

Seitdem wir Menschen uns von den Bäumen herunter schwangen, dreht sich bei uns alles um das Leben in einem Verbund. Die Akzeptanz einer schützenden Gemeinschaft ist für uns fundamental.

Ausgestoßen zu werden ist das Schlimmste, was uns passieren kann. Allein sind wir schwach, zusammen sind wir stark. Die unglücklichsten Menschen sind diejenigen, von denen niemand etwas will, die nicht gefragt sind und nicht gebraucht werden.

Ein wertvolles und geachtetes Mitglied einer Gruppe zu sein: Das gibt uns Sicherheit und Geborgenheit. Soziale Isolation ist eine der schlimmsten Strafen. Sie macht uns aggressiv – oder depressiv. Sie führt zu einem Absenken des Gelassenheitshormons Serotonin und schließlich zu einem Kollaps zerebraler Funktionen. Säuglinge sterben daran.

Wie Verbundenheit entsteht

Verbundenheit entsteht durch Zuneigung und gemeinsames Handeln. Begleitet werden diese Prozesse durch einen körpereigenen Botenstoff namens Oxytocin.

Das auch gerne Kuschelhormon genannte Oxytocin erhöht unser Glücks- und Genusspotenzial. Es ist neurochemischer Balsam für unsere Seele. Es wirkt entspannend und gesundheitsfördernd. Es wird immer dann verstärkt ausgeschüttet, wenn es zu einer Begegnung kommt, die feste Bindungen einleiten soll.

Es erhöht die Bereitschaft, Vertrauen zu schenken. Gleichzeitig stabilisiert es die Beziehungen, die zu seiner Ausschüttung geführt haben. Es belohnt also positive soziale Kontakte und Geselligkeit. Deshalb freuen wir uns, wenn wir gute Freunde und angenehme Kollegen sehen – und diese freuen sich auf uns.

Mehr Altruist als Egoist

Dass Menschen Egoisten sind und nur an ihrem eigenen Wohlergehen Interesse haben, ist ein Aberglaube. Er bekam mächtig Auftrieb, als 1976 Richard Dawkins Buch “Das egoistische Gen” Weltruhm erlangte.

In den letzten Jahren wurden immer mehr neurobiologische Untersuchungen publiziert, die das vorherrschend altruistische Wesen in uns finden. Vom „Social Brain“ ist die Rede.

Die Summe der Erkenntnisse: Wir sind nicht primär auf Egoismus und Konkurrenz ausgerichtet, sondern auf Zuwendung und gelingende zwischenmenschliche Beziehungen. Wenn wir kooperieren, springt in unserem Hirn das Belohnungssystem an.

Community gegen Wallstreet

Das Umfeld spielt hierbei eine wichtige Rolle. Dazu führte, wie der Harvard Business Manager berichtet, der Sozialpsychologe Lee Ross von der Stanford University ein Experiment mit zwei gleich zusammengesetzten Gruppen durch.

Der einen Gruppe erklärte er, sie spielten das “Community Game”, ein auf Gemeinnutz ausgelegtes Spiel. Der anderen Gruppe wurde gesagt, sie spielten das “Wall Street Game”, in dem Egoismus belohnt würde. In Wahrheit handelte es sich um das gleiche Spiel, nur mit verschiedenen Namen.

Im Community Game spielten von Anfang bis Ende siebzig Prozent aller Teilnehmer kooperativ. Im Wall Street Game hingegen arbeiteten siebzig Prozent aller Spieler nicht zusammen.

So beeinflusste allein die Definition des Spiels also vierzig Prozent der Versuchsteilnehmer. Sogar Spieler, die zunächst egoistisch wirkten, ließen sich in der kollegialen Spielvariante zu kooperativem Verhalten bewegen.

Kooperation favorisieren und feiern

Wer auf interne Konkurrenz setzt, verschenkt siebzig Prozent des Potenzials, das durch Kooperation entstehen kann. Ergo: Das Wir zu entwickeln – und auch zu feiern (!) – zählt mehr als das Heroisieren von Einzelerfolgen.

Durch Letzteres gewinnen zwar einige wenige, doch ein Großteil der Mitspieler wird zu Verlierern gemacht. Und wo Verlierer sind, da sind auch Missgunst und Neid. Boshaftigkeiten, Intrigen und Rufmord stellen sich ein.

Selbst die Firma als Ganzes wird Federn lassen. Wer nämlich gegeneinander spielt, wird im entscheidenden Moment dem Kontrahenten die Hilfe versagen – und seine Ideen lieber für sich behalten. Produktivitätsdefizite auf breiter Ebene sind die Folge.

Win-lose versus win-win

Wer Win-lose-Konzepte entwickelt, betrachtet anscheinend immer nur das, was er gewinnt, nicht aber das, was er verliert. Nun, da Kollaboration eine so wichtige Rolle spielt, sind Team-Incentives und Win-win-Konzepte, bei denen abteilungsübergreifend (!) alle auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen werden und zusammen gewinnen können, wesentlich besser geeignet.

Und die Motivation dazu ergibt sich aus dem kollektiv erreichten Ergebnis – und nicht über kalte Kennzahlensysteme. Wohl nichts motiviert auf Dauer so sehr, wie Teil einer gelingenden Gemeinschaft zu sein.

Menschen wollen stolz sein können auf die Kohorte, für die sie sich entschieden haben. Denn dann springt ein wenig von deren Glanz auch auf einen selbst über. Und indem wir offenbaren, zu wem wir gehören, grenzen wir uns gegenüber anderen ab.

Die Zutaten für ein perfektes Wir-Gefühl

Erfolgreiche Unternehmen bieten nicht nur Identifikationspotenzial, sie dienen auch der Selbsterhöhung. Dabei scheint es Männern viel mehr noch als Frauen wichtig zu sein, Zugehörigkeit öffentlich sichtbar zu machen. Die Zutaten für ein perfektes Wir-Gefühl? Ganz unabhängig davon, in welchem Arbeitsmodell die Mitarbeitenden sich bewegen, sind es die:

• Erfolge, die sich feiern lassen
• sichtbare Zeichen der Zugehörigkeit
• Rituale, die zusammenschweißen
• Geschichten, Mythen, Legenden
• Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit

Ja, ein starkes Wir-Gefühl entwickelt sich vor allem durch gemeinsame Erlebnisse, durch erzielte Ergebnisse und Stolz auf die Firma. Dies trägt der Mitarbeiter durch positive Erzählungen schließlich nach draußen.

So können Mitarbeiter nicht nur wertvolle Bewerber anlocken, sondern auch die Loyalität im Kundenkreis stärken. Denn Mitarbeiter- und Kundenloyalität korrelieren. Wer keine loyalen Mitarbeiter hat, hat auch bald keine loyalen Kunden mehr. Und aktive Botschafter schon gar nicht.

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