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Warum die „Alten“ von den „Jungen“ nicht lernen – und in alten Strukturen verharren

„Die jungen Leute lassen sich zunehmend schlecht in unsere Arbeitswelt integrieren“, jammern mir die Manager vor. „Aber das treiben wir denen schon noch aus“, ergänzen sie augenzwinkernd. Genau das wird nicht klappen.

Natürlich lassen sich die „Jungen“ schlecht in eine veraltete Arbeitswelt integrieren, warum sollten sie auch? Ganz egal, ob das der alten Garde nun passt oder nicht: Die junge Generation definiert unsere Zukunft – und auch den Handlungsspielraum, den die Anbieter darin haben. So sind die wahren Gründe, weshalb Unternehmen von gestern wahrscheinlich schon morgen den Anschluss verpassen, ganz genau zwei:

  1. weil sie die Junge Generation unterzubuttern versuchen, anstatt sie als Zukunftsgestalter zu nutzen.
  2. weil sie in alten Strukturen verharren und sich nicht von längst überholten Managementmoden trennen.

Und beides hängt eng miteinander zusammen, wie Fit für die Next Economy [1] sehr deutlich zeigt.

Wer bremst, bringt alles zum Stehen

Jede Veränderung – und damit auch jede Innovation – bedeutet zunächst, dass etwas bislang Unbekanntes entsteht, von dem niemand ganz sicher weiß, ob es besser oder schlechter sein wird als das davor. „Hilfe, hoffentlich nicht“, sagen die Bewahrer, wenn ich davon berichte, was die durchdigitalisierte Zukunft uns bringt.

Ja, wir können den Wandel ignorieren oder bekämpfen. Besser ist es jedoch, ihn zu umarmen. Den Fortschritt aufhalten wollen? Nie und nimmer. Er kommt, mit Ihnen oder ohne Sie. Wer seine Verweigerungshaltung nicht aufgibt, verschwindet in der Bedeutungslosigkeit.

Genügend Menschen werden es kaum abwarten können, jede technologische Neuerung auszuprobieren. Aus den positiven Erfahrungen solcher Early Adopter, Vorreiter und Pioniere erwachsen dann neue Anforderungen an alle Player im Markt. So wird das Neue zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens.

Was menschenmöglich ist, erweitern wir, seitdem es uns Menschen gibt. Selbstoptimierung heißt der Nutzen. Vorsprung ist das Ziel. Und FOMO (fear of missing out), also die Angst, bei etwas, das gerade abgeht, nicht dabei zu sein und damit den Anschluss zu verpassen, wird selbst die Nachzügler dazu bringen, der digitalen Vorhut schnellstens nachzueifern.

Angst ist der größte Fortschrittskiller

Angst regiert die Führungsetagen. Im Rahmen einer Studie des Thinktanks 2bAhead nannten 52 Prozent der daran teilnehmenden Manager die Angst, Entscheidungen auf unsicherer Basis zu treffen, als den Innovationsverhinderer Nummer eins. 35 Prozent der insgesamt 202 befragten Innovationschefs gaben sogar zu, dass sie selbst schon Innovationen aus Angst verhindert haben.

Die gefährlichste – und zugleich am meisten tabuisierte – Angst von allen ist aber wohl die, dass die alten (Männer) von den jungen (Männern und Frauen) verdrängt werden könnten. „Uns ist klar, dass dort nicht das nächste Blockbuster-Medikament entsteht, aber das erwarten wir auch gar nicht“, erklärt ein Manager des Pharmariesen Bayer der Wirtschaftswoche über ein hauseigenes Startup-Konzept.

Ach ja? Wieso eigentlich nicht? Schon allein durch solch eine Haltung ist Scheitern vorprogrammiert. Auf diese Weise verkommen die nun überall aus dem Boden sprießenden Innovationslabs in vielen Konzernen zu reinen PR-Shows – nur weil es gerade so chic ist, auch eines zu haben.

In Wirklichkeit stellen „diese verpickelten Jünglinge“, die dort laborieren, eine Bedrohung für das Selbstverständnis der um Erhalt bemühten etablierten Elite dar. Interessanterweise stand dieses Alt-Jung-Dilemma ständig im Raum, wenn ich mit Leuten über das Thema des neuen Buchs diskutierte.

Macht und Angst sind ein Paar

70 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen Old-School-Manager mit dem Absichern von Macht, meint der Schweizer Serial Entrepreneur Jonathan Möller. Ja, Macht und Angst sind ein Paar. So kommt es, dass Machtbesessene sich von „Fußvolk“ abgrenzen wollen, ihren Zuständigkeitsbereich hermetisch abriegeln, im autistischen Silodenken verharren und Command & Control praktizieren.

Wie aber soll Außergewöhnliches passieren, wenn stromlinienförmige Vorgänge-Abarbeiter und eine maultote Meute von Mitläufern das Unternehmen bevölkern? Und wie bitte kann Zukunftsweisendes gelingen, wenn alle immer nur abwartend nach Oben schauen, anstatt nach draußen zum Kunden und Markt? Das „Machtwort“ des Chefs lässt wertvolle Initiativen oft einfach versanden.

Dass Menschen unter Druck geistige Großtaten vollbringen, ist eine gefährliche Mär. Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Dauerdruck und anhaltende Missstimmung sabotieren die Fähigkeit des Gehirns, sein Bestes zu geben, weil die im Angstzustand ausgeschütteten Botenstoffe Synapsen blockieren. Doch für kognitive Arbeit in rasanten Zeiten sind schnelle Synapsen bitter vonnöten.

Kreativität, die Schlüsselressource für Innovationen, ist wie eine launige Diva, die die richtigen Umstände braucht. Heiterkeit, Muße und Stress-Abstinenz gehören dazu. Miteinander – statt gegeneinander – und ein kameradschaftlicher Stil schaffen Austausch und angstfreie Räume. Deshalb wird in florierenden New-Economy-Firmen auch so viel Wert auf ein Wohlfühlklima gelegt.

Die Erschütterung der Macht

Junge Talente mit hohem Potenzial lernen in tradierten Unternehmen leider vor allem, dass ihre Meinung nicht zählt. Deshalb kommen sie gar nicht – oder sie wandern in Scharen gleich wieder ab. Sie sind kompromisslos, wenn die Bereitschaft fehlt, sie konsequent einzubeziehen. Denn sie wissen: Der Fortschritt ist auf ihrer Seite. Und sie steigen nur mit denen ins Boot, die dies erkennen.

Der Chef als Ansager und Aufpasser ist sowieso ein Auslaufmodell, weil Software das in Zukunft erledigt. Zudem können die Oberen heutzutage nicht einmal ahnen, wohin der richtige Weg führt. „Ihre neue Aufgabe ist es, das Finden von Antworten zu organisieren“, bekräftigt Christoph Keese in seinem Buch Silicon Germany.

Institutionalisierte Autorität wird von den Millennials sofort hinterfragt. Insignien der Macht sind für sie im Allgemeinen von wenig Belang. Wertvoll ist nicht der, der einen dicken Dienstwagen fährt, sondern derjenige, der die Community durch seine Impulse bereichert. Es ist der Beitrag, der zählt, nicht das Lametta am Anzug oder das fette Schild an der Tür.

Wer den wertvollsten Content liefert, wird von ihnen am meisten geschätzt und findet sich im Zentrum ihrer Netzwerke wieder. Für sie hat derjenige Einfluss, dem die Menschen freiwillig folgen. Natürlich wünschen sich auch die Millennials Führung, aber ganz anders, wie mein Mitautor Alex T. Steffen [2]eindringlich beschreibt.

Übrigens: Dieser Beitrag nimmt an der Blogparade #NewWork17 [3] teil.

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