- Touchpoint Blog Anne M. Schüller - https://blog.anneschueller.de -

Purposeful Organisations: der Unterschied zwischen „Old School“ und „New School“

Old-School-Unternehmen vs. New-School-Unternehmen

Der Nutzwert, der ausformulierte Daseinssinn, der Wesenskern, das Warum eines Unternehmens heißt im Englischen „Purpose [1]“. Er bestimmt die Unternehmensidentität. Im Orbit-Modell [2] steht der Purpose im Kern. Er ist nicht nur für Kunden sondern auch für talentierte Mitarbeiter von immer mehr Relevanz. So werden „Purposeful Organisations“ zu einer Heimat für Menschen auf der Suche nach Sinn.

Purposeful Organisations: Heimat für Menschen auf der Suche nach Sinn

Wir alle wurden als einzigartige Individuen mit einem mächtigen Gestaltungswillen geboren, um ein Leben voller Sinn zu führen – und nicht, um ein fremdbestimmtes Rädchen im Getriebe der Unternehmen zu sein. Wir sind beseelt von dem Wunsch, einen Beitrag zu leisten und fürchten die Vorstellung, ein bedeutungsloses Leben gelebt zu haben. Es gibt Menschen Genugtuung, sich auf eine im Rahmen ihrer Fähigkeiten liegende Art und Weise weiterentwickeln und entfalten zu können.

Wer also das volle Engagement seiner Mitarbeiter will, muss Sinn in der Arbeit bieten. Vor allem die Elite der Digital Natives sucht danach, Selbstwirksamkeit zu erleben und Fremdbestimmung zu minimieren. So bezeichnet man die Nachwuchsgeneration auch als Sinnsuchergeneration, denn sie fragt (sich) ständig, ob das, was sie tut, sinnvoll ist. Der Kampf um die besten Talente wird nicht nur durch Geld und Karriere entschieden, sondern immer mehr auch durch Sinn.

Purposeful Organisations sorgen für eine Vereinbarkeit von Profitstreben und Nachhaltigkeit. Bereits 1994 hat der britische Autor und Unternehmer John Elkington hierfür den Begriff der „Triple Bottom Line“ geprägt, wonach ein Unternehmen neben der ökonomischen auch eine ökologische und eine soziale Bilanz vorlegen muss. Nur dies kann dafür sorgen, dass zukünftige Generationen noch lebenswerte Existenzbedingungen vorfinden werden. Junge Menschen gehen dafür zu Tausenden auf die Straße.

„Old School“ und „New School“: Wettstreit der Unternehmensidentitäten

Im Kern ist das Wettrennen zwischen herkömmlichen Unternehmen und den neuen Top-Playern der Wirtschaft keins um die bessere Idee, sondern eins um die attraktivere Unternehmensidentität. Zunehmendes soziales Engagement und ein ernsthaftes Hinterfragen, wie wir mit uns und der Welt umgehen, wird dabei zum neuen Trend. Zudem müssen die Arbeitsbedingungen stimmen. Schauen wir uns in diesem Kontext an, wie „Old School“ und „New School“-Unternehmen grundkonzipiert sind.

„New School“-Unternehmen sind getrieben davon, die Dinge für die Menschen besser zu machen. Ihre Unternehmensarchitektur ist geprägt von Offenheit und Vernetzung. Gearbeitet wird vornehmlich in sich selbst organisierenden Teams. Die Begegnungsqualität ist dabei hoch. Die Prozesse sind flexibel und laufen sehr zügig ab, wodurch sie mit zunehmender Komplexität und schnellem Wandel Schritt halten können.

Ihre Gründung fällt in die Internetzeit, weshalb viele von ihnen in der Digitalwirtschaft tätig sind. Wie solche Unternehmen in aller Regel agieren (hier mehr dazu [3]):

• sie lieben ihre Kunden (und deren Daten),
• sie hassen Bürokratie, da sie Verschwendung verursacht,
• ihr Vorgehen ist offen, wendig, flexibel und schnell,
• sie nutzen agile und kollaborative Arbeitsmethoden,
• sie agieren niedrighierarchisch mit Minimalstrukturen,
• die Mitarbeiter arbeiten weitgehend selbstorganisiert,
• die Kernbelegschaft wird durch Externe (Freelancer) ergänzt,
• die Vermarktung geschieht über Wertschöpfungsnetzwerke,
• wenig Besitz, vielmehr kostengünstiges Mieten und Teilen,
• sie denken ihre Geschäftsmodelle von Anfang an digital,
• sie streben nach hoher Skalierbarkeit bei minimalen Kosten.

Klassische „Old School“-Unternehmen kommen aus dem Industriezeitalter, einer Zeit also, in der Entwicklungen linear und Märkte überschaubar waren. Typischerweise sind die größeren unter ihnen zum größten Teil auch heute noch wie folgt geprägt:

• eine hierarchische Topdown-Organisationsstruktur,
• von Zahlen und finanziellen Ergebnissen angetrieben,
• Fokus auf Wachstum, Marktführerschaft und Profitmaximierung,
• hohe Kapitalbindung durch Besitz von Wirtschaftsgütern,
• effizienzgetriebene Prozesse und große Vorschriftendichte,
• Flexibilitätsmangel, Risikointoleranz und Fehleraversion,
• Abschottung in Silos, Abteilungsegoismen, Insellösungen,
• Wettbewerbsverhalten im Firmeninneren und am Markt
• lineares Denken aus der Vergangenheit in die Zukunft,
• Planungs-, Vorgaben-, Genehmigungs- und Kontrollbürokratie,
• Mitarbeiter sind „Humankapital“, also Mittel zum Zweck,
• Managementtools werden schablonenhaft implementiert,
• Innovationen in Form von kontinuierlichen Verbesserungen.

Steuernd und regelnd geht es dem Management hier vor allem darum, das Maximum aus der Organisation herauszuholen. Ganze Abteilungen sind dazu da, andere zu kontrollieren. Die Finanzseite hat das Sagen und die Fixierung auf Kosten ist hoch. Die Führungskräfte organisieren sich in einer Machthierarchie. Mit den Folgen daraus werde ich mich im nächsten Blogbeitrag befassen.

Purposeful Organisations: das Beispiel Wikipedia – und viele, viele andere

Die Wikipedia ist vielleicht eines der eindrücklichsten Beispiele für das, was passiert, wenn man sich vom „Old School“ in den „New School“-Modus begibt. Denn es ist wenig bekannt: Nupedia, die Vorläuferin der Wikipedia, ist mit Pauken und Trompeten gescheitert. Und warum? Zunächst durften nur ausgewiesene Experten Enzyklopädie-Einträge schreiben. Hierzu wurde ein siebenstufiger Prozess mit Zuweisung, Doppelgutachten, Zwischen- und Endkontrolle definiert. Nach 18 Monaten und 250.000 ausgegebenen US-Dollar hatte die Nupedia ganze zwölf fertige Artikel und 150 im Entwurfsstadium.

Anfang 2001 stellten die Gründer Jimmy Wales und Larry Sanger dann auf eine offene Verfahrensweise um, so dass jeder seitdem unter Beachtung einiger weniger Vorgaben Einträge verfassen und redigieren kann. So begann der überwältigende Siegeslauf eines Disruptors. Bereits Ende 2017 stand das universell zugängliche Online-Lexikon mit 47 Millionen Artikeln in 295 Sprachversionen unter den meistaufgerufenen Webseiten der Welt nach Google, Youtube, Facebook und Baidu auf Platz fünf.

Und die Wikipedia ist bei weitem kein Einzelfall. Immer mehr Unternehmen machen sich auf den Weg. Positive Erfahrungsberichte von Neuorganisierern gibt es mittlerweile aus kleinen, mittleren und großen Organisationen in vielen Ländern und Branchen. Eine Fülle von Beispielen habe ich in diesem Beitrag gelistet. [4]

Teilen Sie gerne hier:
[5] [6] [7] [8] [9] [10] [11]