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Purpose driven Marketing: Der Purpose mit Blick auf die Kunden

Die Purpose-Denke [1], so wie in den beiden vorausgegangenen Beiträgen skizziert, lässt sich auch auf das Kundenmanagement übertragen. „Purpose driven Marketing“ nennt man das dann. „Was ist der originäre Sinn und Zweck, der „Reason Why“, unserer Leistungen für die Kunden?“, lautet die Ausgangsfrage in diesem Fall. Der entscheidende Punkt dabei ist der, von der Anbieter- auf die Nachfrageperspektive zu wechseln.

Die klassischen Produktmanager braucht es nicht mehr

Im „Purpose driven Marketing“ geht der Fokus weg vom reinen Produktabverkauf und weg vom Wettbewerb, mit dem man sich misst und den man ausschalten will. Er geht vielmehr hin zur individuellen Erledigung von Aufgaben für möglichst gute Kunden und damit hin zu den auch Customer Experiences (CX) genannten Erfahrungen und Erlebnissen, die die Anbieterleistungen bieten. Hierdurch wird das ursprüngliche Produkt zu einem Dienst am Kunden. Und die Art der Kundenbeziehung wird zum eigentlichen Geschäftsmodell.

Folgerichtig werden wir die Produktmanager, wie wir sie heute kennen, wohl nicht mehr brauchen. Die kümmern sich, wie der Name schon sagt, um das Produkt. Geht es um Innovationen, wählen sie den Trippelschritt-Modus: Hier noch ein paar PS, da mehr Design, dort neue Features, die Verpackung größer, das Etikett bunter und dann das Zeugs mit Billig-Geschrei in den Markt geworfen, um es der Konkurrenz mal so richtig zu zeigen. Sie bringen gerne Line Extensions, doch nie würden sie ihr Produkt freiwillig disrupten, weil sie sich damit selbst entsorgen.

Werbeleute sind der Feind und nicht der Freund der Kunden

Auch die Werbeleute glauben noch immer, sie müssten uns volllabern und zuballern, damit ihre Botschaften in unseren Köpfen landen. Dreist lügen sie in ihrer Hochglanzreklame, stalken uns aus der Ferne, produzieren nutzlosen Massencontent, ärgern uns mit Popup-Bannern, die man nicht wegbekommt. So haben sie uns zu Werbehassern und sich selbst zum Feind statt zum Freund der Kunden gemacht.

Zudem werden in den Unternehmen gern Dinge erfunden, die kein Mensch braucht. Viele neue Produkteigenschaften dokumentieren zwar Ingenieurs- und Designerkunst, sind aber für den Nutzer nicht von Belang. Doch leider sind die Anbieter meist derart in ihren Routinen verhaftet, dass sie gar nicht bemerken, wie wenig kundenfreundlich sie in Wirklichkeit sind.

Die meisten Unternehmen agieren nämlich selbstbezogen und effizienzgetrieben. Tunlichst sollen sich die Kunden in die von den Anbietern vorgedachten Abläufe fügen, umständliche Formalien akzeptieren und im Takt ihrer altersschwachen Software ticken. Wie der Kunde sich dabei fühlt, ist ganz egal. Doch genau das ist höchst gefährlich, denn jedes aus Kundensicht unangenehme Ereignis ist ein Einfallstor für Disruptoren.

Zwei Beispiele für extreme Kunden-un-freundlichkeit

Ein Beispiel dafür, wie es Kunden ergeht: Ich will nach längerer Zeit mal wieder mit meinem Bankberater reden und höre erstaunt: Dessen Abteilung wurde aufgelöst. Aha, das hätte man mir ja auch mal mitteilen können! Und nun? „Wir hatten eine Umstrukturierung. Neuer Vorstandsbeschluss: Kunden wie Sie werden jetzt aus Nürnberg betreut.“ Wie bitte? Ich lebe in München! Ist ja wohl klar: Sowas lasse ich mir nicht gefallen.

Ein zweites Beispiel, es ist die Geschichte meines Koffers: Er ist bei einem Lufthansa-Flug falsch verladen worden und kam erst Tage später erheblich beschädigt bei mir an. Auch wenn höchst ärgerlich, das kann passieren. Als Kunde würde man wohl erwarten, dass es neben einer ausdrücklichen Entschuldigung für diesen Doppel-Fauxpas eine Info gibt, wie zu verfahren ist. Der Bote, der das Teil bringt, ist zwar freundlich, hat aber keine Ahnung.

Dann also telefonieren. Der Call-Center-Agent will unkompliziert helfen, darf es aber nicht, weil solche Anliegen nur über ein Formular bearbeitet werden, das er nicht zumailen darf. Die Suche danach auf der Website ist mühsam. Und dann – passiert nichts, vier Wochen lang. Bis eine No-Reply-Mail endlich verkündet, was mit dem Koffer zu tun sei. Die weitere Kommunikation entspann sich in einem aufreibenden schriftlichen Hin und Her.

Die „Reise des Kunden“ am eigenen Leib erleben

Was wollen die Kunden denn heute? Was ist unter aller Sau? Was ist Standard? Und was wäre „wow“? Mit typischen Kundenbefragungen, wie sie in Fokusgruppen üblich sind, kommt man nicht weit. Es ist bekannt, dass Menschen, wenn man sie öffentlich interviewt, gern opportunes Verhalten zeigen und auch dem sozialen Einfluss der Gruppe ausgesetzt sind. Beides kann zu verfälschten Ergebnissen führen.

Besser, man würde eine typische Customer Journey [2], die Kundenreise durch die Unternehmenslandschaft, mal höchstpersönlich durchlaufen, um hautnah zu erleben, wie es den Kunden tatsächlich ergeht. So hat ein Hersteller von Inkontinenzprodukten seine Manager angewiesen, eine Woche lang rund um die Uhr Erwachsenenwindeln zu tragen und diese auch zu verwenden.

An solchem Vorgehen könnten sich etwa die Hersteller von Kartenlesegeräten ein Beispiel nehmen. Kaum einer von ihnen hat sich wohl je Gedanken darüber gemacht, dass es auch dicke und alte Finger gibt. Oft genug ist die PIN-Eingabe eine Tortur. Was zeigt: Nur der, der regelrecht eintaucht in das pralle Leben der Kunden, selbst erlebt, was sie erleben und ihre Handlungen haarklein seziert, kann perfekte Lösungen finden.

Menschen sind weder Nullen und Einsen noch Datenpakete

Im Purpose driven Marketing geht es am Ende darum, wie sich ein Produkt oder Service sinnvoll in das Leben beziehungsweise die Arbeit einer Person integriert. Doch die meisten Marketer haben sich den Kunden völlig entfremdet und Messpunkte aus ihnen gemacht. Den Datensalat, der auf ihren Dashboards erscheint, halten sie für die ganze Wahrheit. Doch smarte Konsumenten ducken sich mithilfe passender Tools ganz gezielt weg.

Das Kaufverhalten der Kunden ist bei weitem nicht so gläsern, wie es oft scheint. So bleibt das meiste, das die Menschen denken, sagen, kaufen und tun, den Cookies und Crawlern verborgen. Menschen sind eben keine Nullen und Einsen. Sie sind auch keine Datenpakete. Und ganz gewiss sind sie kein bürokratischer Vorgang, der sich vorgedachten Steuerungsmechanismen unterwirft.

Um Herz und Seele der Kunden zu berühren, muss sich technologisches und kommunikatives Können mit sozialer Intelligenz und Menschlichkeit paaren. Wahre Kundenzentrierung, so wie im Orbit-Modell [3]skizziert, ist hierbei fundamental. Ultimatives Ziel ist das Erreichen der Hyperrelevanz. Dazu im nächsten Blogbeitrag mehr.

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