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#NewWork17: Die Mitarbeiter in neuen Organisationsmodellen

Organisationsmodell nach Schüller/Steffen

Sind Ihre Mitarbeiter Anweisungsabarbeiter, Nebeneinanderherarbeiter, Gegeneinanderarbeiter oder Miteinanderarbeiter?

In unserer sich zunehmend wandelnden Arbeitswelt gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der Führungsriege, Zugehörigkeit, ein Wir-Gefühl und Zusammenhalt unternehmensweit zu fördern.

Dass Konfrontation, interner Massenwettbewerb, Einzelziele, Einzelboni und der dauernde Kampf um Budgets und Ressourcen die besten Ergebnisse bringen, sind Kopfgeburten weltfremder Alphatierchen in den Zentren der Macht. Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall.

Wissensarbeit kann nur durch Kollaboration reiche Früchte tragen. Team-Konzepte und sich selbst steuernde Einheiten, bei denen abteilungsübergreifend (!) alle für ein gemeinsames Ziel und für die Kunden arbeiten, werden gebraucht, um fit für die Next Economy [1] zu sein.

Die neue Workforce: Mitarbeiter statt Abarbeiter

Wie bitte soll Außergewöhnliches passieren, wenn stromlinienförmige Vorgänge-Abarbeiter und eine maultote Meute von Mitläufern das Unternehmen bevölkern? Und wie kann Zukunftsweisendes gelingen, wenn alle immer nur abwartend nach Oben schauen, anstatt nach draußen zum Kunden und Markt? Wer ständig einem Navi folgt, verliert eigene Kompetenzen. Und das „Machtwort“ des Chefs lässt wertvolle Initiativen einfach versanden.

Die Arbeitswissenschaft kennt diese Zusammenhänge längst: Beim sturen Abarbeiten bleibt alles im unmotivierten Sollen und Müssen. Selbstbestimmung hingegen verleiht den Menschen Flügel. Ein hohes Maß an Produktivität ist damit garantiert. Um 13 Prozent steigen, einer Untersuchung der Universität St. Gallen zufolge, die Umsätze der Unternehmen, die ihren Leuten mehr Freiheiten gewähren.

Der Chef als Ansager und Aufpasser ist somit ein Auslaufmodell. Gerade die Young High Potentials lernen auf diese Weise, dass ihre Meinung nicht zählt. Und sie wandern in Scharen ab. Sie sind kompromisslos, wenn die Bereitschaft fehlt, sie konsequent einzubeziehen. Sie wünschen sich eine Team-Kultur, in der sie selbstorganisiert ihre Talente einbringen können. Und sie wissen: Der Fortschritt ist auf ihrer Seite. So steigen sie nur mit denen ins Boot, die dies erkennen.

Zielsysteme überdenken: OKR statt MbO

Damit Selbstorganisation abteilungsübergreifend Einzug halten kann, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Hierzu müssen zunächst die alten Ziel- und Incentivemodelle, wie etwa das nach wie vor sehr verbreitete Management by Objectives (MbO), auf den Friedhof. Es stammt von Peter Drucker, dem Grandseigneur der Managementkunst und stammt aus dem Jahr 1954 (!), ist also tief in der Command & Control-Ära verhaftet. Jeder Mitarbeiter bekommt dabei seine eigenen Ziele, meist sind das feste Jahresziele, die bei Erreichen Boni einbringen.

Solche Ziele sind nicht mit den Zielen der Kollegen abgestimmt, oft konkurrieren sie sogar miteinander. Was dann passiert, ist nur allzu logisch. Jeder verfolgt seine Eigeninteressen, man arbeitet unabgestimmt gegeneinander, oft verbunden mit Tricks und Tücken, um an die Boni zu kommen. Egoismus ist in solchen Systemen vorprogrammiert, sogar das Überschreiten ethischer Grenzen wird toleriert. Nicht selten macht sich in den Köpfen der Leute dann das „Cheater’s High“ breit. Es ist das schäbige Hochgefühl, „beschissen“ zu haben und damit durchgekommen zu sein.

Demgegenüber verfolgt ein neues Konzept namens OKR gemeinsame Ziele, gemeinsame Wege und den gemeinsamen Erfolg. OKR steht für Objectives & Key Results. Gemeinsame Workshops und Gemeinschaftsboni sorgen dafür, dass jeder die Ziele der anderen kennt und mitunterstützt. Neben einer deutlich höheren Produktivität entsteht so auch ein starkes Wir-,Gefühl. Und das ist in einer sich weiter zerfasernden Unternehmenslandschaft zunehmend wichtig.

Agile Netzwerke: Das favorisierte Zukunftsmodell

Wenn anweisungsbasierte Topdown-Formationen auf vernetzte Organisationen treffen, wird es langfristig für erstere eng. Agile Netzwerke sind deshalb das favorisierte Zukunftsmodell, weil sie den ständig neuen, meist unvorhersehbaren Anforderungen der Zukunft besser gewachsen sind. Hierbei folgen die Mitarbeiter den gemeinsam definierten Zielen und übernehmen Verantwortung für die erarbeiteten Ergebnisse.

Die Führung gibt nur die grobe Marschrichtung vor. Und sie schafft einen Rahmen, der kollegiale Selbstorganisation möglich macht. Leitplanken statt Handschellen, Empfehlungen statt Vorschriften und Mut zum Versuch sind die Devisen. „Widersprechen Sie Ihrem Chef“ ist ein notwendiges Muss. Selbstmotivation, fortwährender Lernwille, hohe Freiheitsgrade, ein Höchstmaß an Flexibilität und umfangreiche Mitgestaltungsmöglichkeiten sind die Norm.

Statt auf Entscheidungen von Oben zu warten, berät man sich – das ist Pflicht – mit den Kollegen und entscheidet dann selbst. Nicht Konsens, sondern Konsent wird dabei favorisiert. Konsent heißt nicht „Ja, ich stimme zu!“, sondern „Ich habe keinen schwerwiegenden, begründeten Einwand dagegen“. Statt um ein Maximum an Zustimmung geht es also um eine Minimierung der Bedenken.

Einzelboni adé: Gemeinsame Erfolge bonifizieren

In selbstorganisierten Systemen sind die Leistungen jedes Einzelnen transparent, werden in der Gruppe besprochen und von der Gruppe auch eingefordert. Das Missachten von gemeinsam erstellten Regeln wird kategorisch geahndet. Unterstützt durch digitale Workflow-Programme und Methoden der Projektarbeit wie Kanban und Scrum arbeiten abteilungsübergreifende Teams an Kundenprojekten oder für Kundengruppen.

Dabei wird man nicht für Einzelleistungen, sondern für gemeinsame Erfolge bonifiziert. Denn isolierte Leistungen gibt es nicht mehr. Alles hängt eng miteinander zusammen. Einzelboni sind deshalb Unfug. In gut funktionierenden agilen Netzwerken sind die Mitarbeiter hoch motiviert, weil sie gemeinsame Siege erringen, sich weiterentwickeln, Selbstbestimmtheit erfahren und den Sinn und Zweck ihrer Arbeit in einem Gesamtzusammenhang sehen.

Die Führungskräfte agieren als Möglichmacher und Moderatoren der Lösungsfindung. Die Kunden erleben in solchen Organisationen einen verlässlichen Service auf hohem Niveau. Nicht für den Chef und die Kennzahlen, sondern für deren Wohl wächst die Mannschaft über sich selbst hinaus.

Ganz modern: Wie ein starkes Wir-Gefühl entsteht

Menschen wollen stolz sein können auf die Kohorte, für die sie sich entschieden haben. Denn dann springt ein wenig von deren Glanz auch auf einen selbst über. Erfolgreiche Unternehmen bieten also nicht nur Identifikationspotenzial, sie dienen auch der Selbsterhöhung. Die Zutaten für ein perfektes Wir-Gefühl sind diese:

Ein gutes „Wir-Gefühl“ entwickelt sich vor allem durch gemeinsame Erlebnisse, durch erzielte Ergebnisse und die Gewissheit, Teil einer starken Gemeinschaft zu sein. Dies trägt der Mitarbeiter durch positive Erzählungen schließlich nach draußen. Sind die Verbindungen hingegen schwach, dann beginnen die Leute sehr schnell, sich stabilere, besser funktionierende Gruppen zu suchen – in einer anderen Organisation.

Dieser Beitrag nimmt an der Blogparade #NewWork17 [2] von Winfried Felser teil. Ursprünglich wurde der Begriff New Work Ende der 80er Jahre von Frithjof Bergmann geprägt. In digitalen Zeiten hat sich die “Neue Arbeit” natürlich gewaltig gewandelt, wie auch die weiteren Beiträge der Blogparade zeigen.

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