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Die 7 unternehmerischen Schlüsselaufgaben für morgen – Aufgabe 4, Teil 1: Regelwerke dezimieren

Eines ist sicher: Auf der Reise in die Zukunft braucht man leichtes Gepäck, weil die Märkte, wie die Hasen, immer neue Hacken schlagen. Für Planzahlspiele, Budgetierungsexzesse und Excelsheet-Orgien bleibt keine Zeit.

„Planung kann nie schneller sein als die nächste Veränderung“ heißt es im Turboland China. Deshalb muss zunächst der bleischwere Ballast aus alten Businesstagen über Bord: Traditionen, die nie hinterfragt worden sind, heilige Kühe, die keiner schlachten wollte, Managementmoden, die schon eine rostige Patina tragen.

Interne Sperren müssen gelockert, Bremsklötze weggeräumt und anweisungsorientierte Kontrollsysteme schnellentsorgt werden. Denn daran kann ja wohl kein Zweifel sein: Mit den Waffen von gestern sind die Gefechte von morgen nicht zu gewinnen.

Die Liste veralteter Managementmoden ist lang

Viel Zeit bleibt auch nicht. Und die Liste veralteter Methoden und Prozesse ist lang. Doch festgezurrte Systeme neigen per se zur Kontinuität anstatt zum forschen Handeln. Und Kontrolle ist ein zurückblickendes Instrument, das nur Fehlentwicklungen zeigen kann, die bereits stattgefunden haben.

Durch Bürokratie und Administration werden Entscheidungen verzögert, verhindert oder in die falsche Richtung gelenkt. Und Standards bewirken eben nur Standardleistungen – und damit langweiliges Mittelmaß. Sie geben Planungssicherheit? Ein Widerspruch in sich!

Was den Unternehmen heute im Markt begegnet, ist permanente Vorläufigkeit. Die einzige Gewissheit ist die, dass Plan und Wirklichkeit bereits am zweiten Tag des neuen Geschäftsjahrs auseinanderdriften. Und was macht ein braver Manager dann? Er folgt nicht der Wirklichkeit, sondern dem Plan. Das ist absurd!

Standards sorgen für Verkrustungsprozesse

Klar: Regelwerke und Funktionsroutinen sichern ein Leistungsniveau, sie tragen zur Arbeitsentlastung bei, und sie helfen, böse Fehler zu vermeiden. Doch sie sorgen auch für einen schleichenden Verkrustungsprozess. Die Frage: Wie mache ich das jetzt am besten?“ wird irgendwann nicht mehr gestellt.

Wenn ein Handbuch zum Gesetzbuch wird, sind die Mitarbeiter vor allem damit beschäftigt, den vorbestimmten Abläufen akribisch zu folgen, ganz egal, ob sie sinnvoll oder sinnlos sind. Und die ihnen Vorgesetzten begreifen sich als Hüter der Vorschriftensammlung. Deren Einhaltung wird streng überwacht. Abweichungen werden mit aller Härte bestraft.

Und jeder Verbesserungsvorschlag wird zum versuchten Normverstoß. Ein evolutionärer Stillstand ist damit vorprogrammiert. Initiativlosigkeit und Konformität stellen sich ein. Aus Meinungsvielfalt wird Einfalt, die, von der Realität abgekoppelt, am Ende auch für einfältige Entscheidungen sorgt.

ISO-Rausch erzeugt Isomorphie

Ein junger Mann, der bei der Bahn als Schlafwagen-Steward gearbeitet hatte, erzählte mir dies: „Manchmal kam es vor, dass bei uns aufgrund einer technischen Störung die Toiletten ausfielen. Folgendes stand dazu im Service-Handbuch: In dem Fall, dass es zu Störungen im Betriebsablauf der Bordtoiletten kommt, ist den Fahrgästen ein kostenloses Getränk anzubieten.“

Hier zeigt sich wie so oft, dass nicht die Kundenerwartungen der Maßstab für die Serviceleistungen eines Unternehmens sind, sondern das Funktionieren nach ISO. Dabei ist, wie es scheint, manchem Manager der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen. Und schlimmer noch: ISO erzeugt Isomorphie. Das heißt: Alles gleicht sich immer mehr an. Doch nur das Besondere, Faszinierende, Bemerkenswerte hat eine Zukunft.

Bar jeden gesunden Menschenverstands

„Sie können sich den größten Schwachsinn einfallen lassen“, schreibt Serviceexperte Vinzenz Baldus entrüstet, „zum Beispiel Schwimmwesten aus Beton. In diesem Fall kommt es nur darauf an, dass Sie, wie bei allen sinnigen Produkten und Prozessen auch, Ihre Leitlinien und die Umsetzungsschritte genau dokumentieren, die Schritte, wie Sie diese spezielle Dienstleistung herstellen, vermarkten und über einen speziellen Kundendienst warten lassen wollen.

Und dann werden Beauftragte des TÜV oder des DEKRA zu Ihnen kommen, vier Wochen den Betrieb lahmlegen – und wenn die angegebene Betondichte überprüfbar stimmt, dann erhalten Sie Ihr Zertifikat. … Sie können sich wirklich den größten Schwachsinn einfallen lassen – Hauptsache, Sie machen ihn regelmäßig und überprüfbar – dann erhalten Sie auch regelmäßig Ihre Nachzertifizierung.“

Regeln züchten geistige Krüppel

Natürlich ist das Sichern einer Basisqualität richtig und in manchen Fällen sogar lebensnotwendig. Wer aber bei jedem Auftauchen eines Problemchens eine weitere Regel erschafft und für jeden Vorgang ein Formular erfindet, ist prozessbesessen und züchtet geistige Krüppel. Er macht seine Organisation langsam und dumm.

Und wenn mit dem Festmachen einer neuen Regel nicht gleichzeitig eine Regel an anderer Stelle gestrichen wird, dann wird die Arbeitslast mit jedem Mal mehr.

Am Ende verwandelt die Zwangsjacke starrer Normen die Mitarbeiter in Marionetten, die sich selbst den blödesten Anweisungen willenlos beugen und den Kunden ihre industrialisierten Serviceprozesse aufzwingen („Das ist bei uns Vorschrift!“). Wie Aufziehpuppen reden sie mit einem am Telefon oder an der Theke im Schnellrestaurant.

Wie man es besser macht, darum geht es im kommenden Blogbeitrag und natürlich auch in meinem neuen Buch “Das Touchpoint Unternehmen [1]“.

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