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Customer Experience Management und Customer Touchpoint Management: das gleiche?

Oft werde ich gefragt, ob es einen Unterschied zwischen Customer Experience Management und Customer Touchpoint Management gibt. Die Ziele sind in beiden Fällen die gleichen: das Habenwollen, das Wiederkommen und das Weitersagen soll ausgelöst werden. Während das Customer Experience Management dabei auf einzelne Interaktionspunkte fokussiert, die zu gestalten und fortlaufend zu optimieren sind, basiert das Touchpoint Management auf einem crossfunktionalen Ansatz. Es betrachtet das Gesamt der Touchpoints entlang der kompletten Kundenreise, der Customer Journey, über alle Abteilungsgrenzen hinweg.

Bei beidem gilt: Die Kunden müssen begeistert sein

Alle reden über Kundenzufriedenheit, doch das reicht nicht: Wer sich mit Zufriedenheit zufriedengibt, wird behäbig und bequem. Die emotionale Spannung ist niedrig, mangelnde Identifikation und Gleichgültigkeit machen sich breit. Unternehmen, die „nur” auf die Zufriedenheit ihrer Kunden aus sind, setzen sich eher halbherzig für deren Interessen ein, zeigen wenig Initiative beim Erfüllen von Sonderwünschen und wenig Kreativität beim Lösen von Problemen. Diese Egal-Mentalität führt zu Desinteresse, zu Nachlässigkeiten und mangelnder Sorgfalt – und schließlich zum Kundenverlust.

Die reine Funktionalität eines Produkts oder der fehlerlose Ablauf einer Leistungserbringung entspricht der Nulllinie der Zufriedenheit. Damit allein kann man nur selten begeistern. Dass etwas zu hundert Prozent einwandfrei funktioniert, ist aus Konsumentensicht selbstverständlich. Selbst wenn Produkte oder Dienstleistungen zwar perfekt aber emotionslos sind, wenn also keiner sie liebt und keiner sie hasst, dann werden sie kaum gekauft.

Begeisterung heißt immer: Erwartung plus x. Dies erfordert eine absolute Kundenzentrierung [1]. Und außerdem zweierlei: Emotionen und Superlative. Die Referenzpunkte liegen auf Höhe der besten und schlechtesten subjektiven Erfahrungen, die man je auf dem entsprechenden Gebiet gemacht hat. Dabei geht es sowohl um die Prozessebene als auch um die Beziehungsebene.

Doch lohnt sich der Sprung von der Kundenzufriedenheit zur -begeisterung? Die Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers (PwC) hat in einer kürzlichen Studie [2] den wirtschaftlichen Wert eines begeisternden Kundenerlebnisses ermittelt: Unternehmen, die einen erstklassigen Service liefern, können für Produkte und Dienstleistungen einen bis zu 16 Prozent höheren Preis erzielen. Darüber hinaus können sie mit einer höheren Loyalität ihrer Kunden rechnen. Außerdem gaben 63 Prozent der Befragten an, bereitwilliger persönliche Daten herauszugeben, wenn sie einen Service erleben, den sie wirklich schätzen.

Customer Experience: Der Blickwinkel des Kunden entscheidet

Aus Kundensicht geht es immer um den subjektiven Abgleich zwischen dem, was man erwartet und dem, was man im Rahmen einer Interaktion mit dem Anbieter erhält. Die Erwartungshaltung speist sich aus einer Fülle von Determinanten. Diese haben sowohl mit den Leistungsversprechen des Anbieters und dem Aktionslevel des Wettbewerbs als auch mit den Vorerfahrungen, Wertvorstellungen und Befindlichkeiten des Kunden zu tun.

Somit stellt sich bei allem, was ein Anbieter dem Markt offeriert, also folgende Frage: Ist das, was wir tun und vor allem, wie wir es tun, aus Sicht des Kunden betrachtet enttäuschend, okay oder begeisternd?

Der Fokus liegt dabei auf den „höchsten Hochs“ und den „tiefsten Tiefs“. Will heißen: Die Schwachpunkte müssen schleunigst gefunden und ausgemerzt werden. Überraschende verblüffende, begeisternde Erlebnisse müssen gefunden und rasch in die Welt gebracht werden. Oft sind das die kleinen Dinge, solche, die von Herzen kommen, die besonders berühren. Sie zeigen, dass einem die Kunden wirklich am Herzen liegen. Und weil sie uns faszinieren, nenne ich diese „Sternenstaub“.

„Dienst nach Vorschrift“ hingegen kann nicht begeistern. Dienst nach Vorschrift macht mittelmäßig, beliebig, austauschbar. Wer solchen Service erhält, sucht unaufhaltsam danach, ob es nicht anderswo besseres gibt. Und im Web wird man ständig zur Untreue verführt. Zufriedene Kunden sind nicht loyal, sie identifizieren sich nicht voll und ganz mit einem Anbieter und stehen seinen Leistungen relativ gleichgültig gegenüber. Das „Lauwarme“ ist kaum der Rede wert. Erst dann, wenn man begeistert ist, will man darüber berichten. Dann wird man blind und taub für den Wettbewerb – und immun gegen Abwerbeversuche.

Kundenerlebnisse gestalten: Die Einstellung prägt das Verhalten

Egal, ob man das Customer Experience oder Touchpoint Management nennt, beidem geht eine kundenfokussierte Einstellung voraus. Denn die Einstellung färbt das Verhalten. Fehlt die Einstellung, wirkt das Verhalten schnell aufgesetzt und andressiert. Was ein Anbieter also gleichzeitig braucht:

Man bearbeitet demnach nicht nur die Sachebene, sondern immer auch die Beziehungsebene. Diese wird am besten im zwischenmenschlichen Gespräch aufgebaut. Doch wenn man sich heute umschaut, findet Nähe zum Kunden – unter dem Mäntelchen der Kosteneinsparungen gut verpackt – immer seltener statt. Die Unternehmen haben sich dem Kunden entfremdet. Der Kunde verschwindet in der Anonymität. Nur leider: Dort, wo persönliche Ansprechpartner zu einer aussterbenden Rasse gehören und demnach persönliche Kontakte fehlen, sinkt die Kundenloyalität. Automaten und Sprachcomputer können zwar Menschen ersetzen, diese aber nicht loyalisieren.

Menschen kaufen von Menschen – und nicht von Unternehmen

Zum Beispiel hat der stationäre Handel gegenüber den Online-Portalen überhaupt nur eine einzige Chance: Er muss das Erlebnis-Shopping forcieren. Und die Realität? Produktpräsentationen, Preisaktionen und die Jagd nach einem bedienungsfähigen Verkäufer. Wer endlich einen ergattert hat, wird diesen gegen eine Horde anderer Käufer verteidigen müssen (“Der gehört mir, den brauch ich jetzt ‘ne Weile, nein, Sie können auch nicht mal nur ‘ne kleine Frage stellen!”). Einkaufen als verbale Kampfsportart – und das soll Kauflust wecken?

Anderswo werden Kundenkontakte an externe Callcenter wegdelegiert. Der Kunde wird quasi ghettoisiert und systematisch daran gehindert, direkt mit dem gewünschten Mitarbeiter im Unternehmen zu sprechen. Stattdessen wird man mit Sprüchen zugetextet, die vom Bildschirm stammen. Oder man wird herumgeschubst und von Ansprechpartner zu Ansprechpartner weitergereicht. Bei jedem Wechsel geht Wissen verloren. Und schließlich geht auch der Kunde.

Größtes Hindernis im Kundenbeziehungsmanagement ist eine vom Controller verordnete „Optimierung der Verkaufsprozesse“, die Zeit für Gefühle als unnötig wegrationalisiert. Vielmehr soll man sich als Kunde in die meist leider nur aus Unternehmenssicht praktischen Abläufe fügen. Kontakte mit Menschen? “Hier können Sie mit niemandem telefonieren. Schicken Sie uns eine E-Mail.“ Doch der frustrierte Kunde schickt keine E-Mail und lässt auch sonst nichts mehr von sich hören. Wer als Kunde allerdings „seinem“ Verkäufer emotional verbunden ist, der wird diese Loyalität auch auf das Produkt übertragen.

Menschen kaufen von Menschen und nicht von Unternehmen. Gerade bei Dienstleistern spielen Interaktionen eine entscheidende Rolle. Je individueller die Leistung für den einzelnen Kunden erbracht wird und je unmittelbarer der Kunde-Mitarbeiter-Kontakt ausfällt, desto stärker ist das Gefühl emotionaler Verbundenheit. Und dort, wo Produkte nicht mehr faszinieren können, da müssen es die Menschen tun.

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