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Digitalisierung

Wenn Mensch und Computer verschmelzen: Ist das gut oder schlecht?

“Der Mensch ist ein Prothesengott”, schrieb Sigmund Freud bereits im Jahr 1930. Herzschrittmacher und Hirnimplantate sind längst ganz normal. Im Ohr implantierte Kopfhörer sowie Smartphone-Apps, die uns vor Körpergeruch, Schlafstörungen, Diabetes, Asthma und Parkinson warnen: alles schon da.

Bald werden wir Kleidung tragen, die mit dem Internet verbunden ist. Biometric Smartwear wird via eingewebter Sensoren unsere Atmung, den Kalorienverbrauch und unseren Herzschlag messen. Oder man spuckt in einen Handyaufsatz und schickt das Ergebnis der Analyse an seinen (virtuellen) Arzt. So wird Gesundheitsvorsorge zu einer Medizin der miteinander kommunizierenden Computer.

In nicht ferner Zeit werden winzigkleine Nanobots durch unseren Körper fahren, um zu reparieren, was nötig ist. Wissenschaftler glauben sogar, dass sie eines Tages die Blut-Gehirn-Schranke passieren können. „Ich bin zwar für jeden technologischen Fortschritt zu haben“, sagte der Publizist Sascha Lobo letzte Woche auf dem Neuromarketing-Kongress, „aber ob ich das will, weiß ich noch nicht.“

Echte Cyborgs gibt es schon längst

Cyborgs, also Mensch-Maschine-Wesen, können wir bereits treffen. Zum Beispiel Neil Harbisson. Der 1982 geborene Künstler wurde 2004 in England als erster behördlich registrierter Cyborg anerkannt. Von Geburt an konnte er nur schwarz-weiß-graue Farbtöne sehen. Nun trägt er einen fest ins Gehirn implantierten Eyeborg vor seiner Stirn, der ihn Farben hören lässt. Ja, hören. Und dies ist nur ein interessantes Beispiel von vielen.

Menschen und humanoide Roboter bewegen sich in großen Schritten aufeinander zu. Und der Wille, sich zu transformieren, ist unübersehbar. Tattoos, die den Körper komplett überziehen und ihm damit ein neues Aussehen verleihen, sind ein erster auffälliger Schritt. Invasive Eingriffe zur Selbstoptimierung sind längst ganz normal – nicht nur bei denen, die ästhetisch unterversorgt sind.

Immer mehr Freaks laufen mit Computerchips herum, die sie sich unter die Haut implantieren lassen. Solche Chips werden womöglich unseren Denkapparat eines Tages direkt mit dem Internet verbinden können. Wissenschaftler erforschen sogar bereits, wie sich ein Backup des menschlichen Gehirns in der Cloud abspeichern ließe.

Bis zur physischen Verschmelzung mit Computern ist es dann nicht mehr weit. Es scheint auch nicht ausgeschlossen, “dass wir irgendwann in Zukunft Informationen im Gehirn anderer Menschen googeln können”, schreibt Miriam Meckel, Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, in einem Essay.

Die Büchse der Pandora ist offen

Ihnen kommt die Büchse der Pandora in den Sinn? Die Büchse ist längst offen – und sie lässt sich nicht mehr schließen. Egal, ob wir ethische Bedenken oder ein philosophisches Problem mit dieser Entwicklung haben oder manches einfach nur gruselig finden: Diese Zukunft wird kommen.

Genügend Menschen werden es kaum abwarten können, jeden technologischen Fortschritt auszuprobieren, weil sie sich davon einen evolutionären Vorteil versprechen. Aus den positiven Erfahrungen solcher Early Adopter, Vorreiter und Pioniere erwachsen dann neue Anforderungen an alle Player im Markt.

So wird das Neue zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens. Was menschenmöglich ist, erweitern wir, seitdem es uns Menschen gibt. Selbstoptimierung heißt der Nutzen. Vorsprung ist das Ziel. Und FOMO (fear of missing out), also die Angst, bei etwas, was gerade abgeht, nicht dabeizusein und den Anschluss zu verpassen, wird dazu führen, der digitalen Vorhut schnellstens nachzueifern.

Selbst der Tod ist nicht mehr analog. Der erste Mensch, der in vielen Jahren aus dem Jenseits zurückkehren wird, liegt schon eine Weile, zusammen mit ein paar Hundert anderen, in minus 196 Grad kaltem flüssigem Stickstoff bei den Kryonikern von Alcor in Arizona. Die ersten Wesen, die er beim Aufwachen sieht, werden wohl Humanoide sein. Und sie werden wahrscheinlich sehr freundlich mit ihm reden.

Mensch und digitalisierte Maschine als Team

In westlichen Kulturen werden humanoide Roboter meist als Bedrohung gesehen, die eines Tages womöglich die Menschheit vernichten, ein Glaube, an dem die Filmindustrie nicht ganz unschuldig ist. In asiatischen Kulturen hingegen gelten Roboter als etwas Gutes. Deshalb kommen sie dort auch immer so niedlich daher. Sie sind viel kleiner als wir, um uns keine Angst zu machen. Und ihre Gesichter entsprechen dem Kindchenschema.

Westliche Roboter hingegen sehen meist wie Erwachsene aus. Und wir gehen mit ihnen auf Konfrontation. Diskutiert wird derzeit vor allem darüber, dass sie zu Jobkillern werden. Doch anstatt, wie so oft, Energie für Abwehr und Horrorszenarien zu verschwenden, sollten wir uns besser mit einer konstruktiven Ausgestaltung von Möglichkeiten befassen. Denn die Mensch-Maschine-Kooperation ist ein unumgänglicher Weg.

Wie das aussehen kann, damit wird längst experimentiert. Die Kernfragen sind:

  • Welche neuen Leistungen könnten Menschen mit Unterstützung denkender Maschinen erbringen?
  • Was können Maschinen besser als Menschen?
  • Was können Menschen besser als Maschinen?
  • Wie kann es gelingen, das Beste von Beidem so miteinander zu verbinden, dass aus Mensch und Maschine Seite an Seite gute Teams werden können?

So können Computer Emotionen inzwischen besser auslesen als Menschen. Und manche Menschen vertrauen ihre tiefsten Gefühle lieber Computern als Mitmenschen an. Mehr Beispiele dazu im nächsten Beitrag.

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