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Guerilla-Marketing: Große Wirkung mit Köpfchen und kleinen Mitteln

Marketer reden so gerne von Reichweite, doch mit klassischer Werbung erreichen sie fast niemanden mehr. Sie werfen also Millionen zum Fenster hinaus. Auswege aus diesem Dilemma sind dringend vonnöten, und es gibt sie schon längst. Gut gemacht erzeugen sie nicht nur Aufmerksamkeit und Resonanz, sondern auch Mundpropaganda. Ein Mittel der Wahl ist das Guerilla-Marketing.

Ursprünglich wurde Guerilla-Marketing (Jay Conrad Levinson) als Waffe für kleine Firmen mit knappen Mitteln im Kampf aus dem Hinterhalt gegen die Großen entwickelt. Dabei spricht man oft von “Brain statt Budget”.

Doch angesichts der zunehmenden Werbeflut mit immer größeren Streuverlusten werden Instrumente aus der Werkzeugkiste des Guerilla-Marketing inzwischen auch von Weltmarken genutzt, um mit unkonventionellen Methoden Aufmerksamkeit zu erzielen und eine öffentliche Diskussion anzuregen.

Einmalig, gewagt, laut und rebellisch

Gut gemachte Guerilla-Aktionen sind im wahrsten Sinne des Wortes einmalig, sie sind kreativ und gewagt, forsch und frech, laut und rebellisch, idealerweise geradezu spektakulär. Sie kommen mehr oder weniger unangekündigt wie aus dem Nichts daher – und verschwinden dann wieder. Sie polarisieren und bringen sich so ins Gespräch. Man mag sie oder man mag sie nicht – Hauptsache, man redet über sie. Ihre Wirkung ist meist hoch emotional und damit auch nachhaltiger als konventionelle Werbung.

So sorgte in Frankfurt vor Jahren eine Aktion der Hilfsorganisation Amnesty International für Furore, bei der täuschend echt aussehende Hände von innen die Gitterstäbe von Gulli-Deckeln umklammerten. Wie eintätowiert standen auf den Fingern Sätze wie „Wrong Colour“ oder „Wrong Opinion“. Auf diese ungewöhnliche Weise sollte auf Menschen aufmerksam gemacht werden, die wegen ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens oder ihrer politischen Anschauungen unschuldig in Gefängnissen sitzen.

Wie es eine Hundeschule machte

Tribis, eine neu eröffnete Hundeschule aus dem schweizerischen Bubikon machte es so: Wenn Hundebesitzer nach dem Einkaufen zu ihrem vor dem Laden angebundenen Liebling zurückkehrten, bekamen sie einen Schrecken. Ihr Vierbeiner hatte einen Stofffetzen zwischen den Zähnen, der von Weitem wie ein Stück Hosenbein aussah.

Erst beim Hinsehen war auf dem Jeansstoff zu lesen: „Glück gehabt, das ist nur ein Fetzen Werbung. Falls Sie aber ernsthaft an den Manieren Ihres Lieblings gezweifelt haben, wird es Zeit für einen Termin bei uns.“ Die Resonanz war gewaltig. In kürzester Zeit waren die Kurse ausgebucht, so dass die Aktion vorzeitig gestoppt werden musste. Kleines Budget, pfiffige Idee, große Wirkung. Und Marketingpreise gab es außerdem.

Weiterverbreitung per Mundpropaganda

Als immer einmaliges und meist unterhaltsames Ereignis sorgt Guerilla-Marketing für eine selbständige Weiterverbreitung der Botschaft per Mundpropaganda, über das Smartphone, die sozialen Medien und oft auch über die Presse. Bei schlecht gemachtem Guerilla-Marketing spricht man dabei nur über die Aktion ansich, bei einer gut gemachten Kampagne auch über die darin exponierte Marke und ihr Produkt.

So verbreitet der Autovermieter Sixt ganz gezielt provokante Werbemotive, um eine hohe Medienresonanz zu erreichen. “Unser Mitarbeiter des Monats” betitelte das Unternehmen zum Beispiel eine Anzeige mit dem Foto des GDL-Chefs Claus Weselsky mitten im Bahnstreik, der Ende 2014 halb Deutschland lahmlegte. Abmahnungen nimmt Sixt bei solchen Aktionen nicht nur billigend in Kauf, sie sind sogar erwünscht. Denn diese heizen die Diskussionen um den Anbieter weiter an.

Guerilla-Aktion mit Legomann

Eine spektakuläre Aktion ist vor einiger Zeit der Firma Lego geglückt. Der Bauklötzchen-Hersteller setzte unbemerkt vor der niederländischen Küste einen 2 ½ Meter großen Legomann im Wasser aus und ließ ihn von allein an den Strand treiben. Schon von weitem konnten die Urlauber das Objekt sehen und rätselten, was denn da auf sie zukam. Als der Legomann schließlich von den Mitarbeitern einer Strandbar geborgen wurde, war das Erstaunen groß. Die Lokalpresse wurde sogleich alarmiert.

Ein paar Stunden später meldete die Nachrichtenagentur Reuters den Fund. Ab diesem Zeitpunkt ging die Nachricht über das kuriose Treibgut um die Welt. Parallel dazu tauchten im Internet immer mehr Videos und Fotos auf, die den Fund von „Ego Leonhard“ dokumentierten. Unverzüglich begannen Diskussionen in Blogs und Foren über die Herkunft des skurrilen Funds. Doch nach den Verantwortlichen musste nicht lange gesucht werden: Der Legomann wurde kurz vor dem 70. Geburtstag der Marke an Land gespült und war der gelungene Auftakt zu einer ganzen Reihe weiterer Aktionen.

Risiken und Chancen zugleich

Eine Gefahr im Guerilla-Marketing ist die mangelnde Kontrollierbarkeit. Zu den Kernaufgaben derartiger Aktionen gehört es ja, für Irritationen zu sorgen. Dies kann Gegner auf den Plan rufen, die die Potagonisten zu beschädigen trachten, aber auch Befürworter mobilisieren, die sich schützend vor die Marke stellen.

Solche Solidarisierungsprozesse können sogar die Identifikation mit dem Anbieter stärken. Wird jedoch die eigene Zielgruppe zu stark irritiert, steht deren Loyalität auf dem Spiel. Erfahrene Guerilla-Marketer planen deshalb die gezielten Konter, zu der ihre kontroversen Kampagnen geradezu einladen, vorsorglich mit ein.

Wenn der Schuss nach hinten losgeht

Doch nicht allen gelingt eine Guerilla-Aktion wie geplant. Attacken aufgebrachter Internet-Nutzer hat zum Beispiel die Automarke Chevrolet bei ihrem Geländewagen Tahoe zu spüren bekommen. Chevrolet stellte eine Webseite online, die es den Besuchern ermöglichte, Videoclips mit eigenen Werbesprüchen zu vervollständigen.

Viele Teilnehmer haben diese Gelegenheit genutzt, um sich auf ironische Weise über den hohen Benzinverbrauch der Autos lustig zu machen. In einem der Clips fährt der Tahoe durch eine Wüstenlandschaft. Ein zynischer Text dazu lautet: “Das Öl unseres Planeten ist beinahe aufgebraucht. Man benötigt kein GPS, um zu sehen, wohin uns dieser Weg führt.“

In meinen jüngsten Buch “Das neue Empfehlungsmarketing” gibt es übrigens eine Menge Tipps dazu, was zu beachten ist, damit eine Guerilla-Aktion nicht floppt. Und wer sich von weiteren Aktionen inspirieren lassen will, findet hier 100 Beispiele zum Thema

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2 Antworten auf „Guerilla-Marketing: Große Wirkung mit Köpfchen und kleinen Mitteln“

Vielen Dank für diesen “Überblick” Frau Schüller. Guerilla-Marketing ist ja keine Erfindung der Neuzeit aber trotzdem … Mal ganz abgesehen von der Effizienz, kann ich mir gut vorstellen, dass unsere schöne bunte Werbewelt wesentlich interessanter, unterhaltsamer und intelligenter sein könnte, wenn die Auftraggeber und Macher mehr Mut und Kreativität zeigen würden (dürften?).

Genauso ist es, Herr Wenderoth. Guerilla-Aktionen sind wegen des ganzen Online-Hypes leider sogar in den Hintergrund gerückt. Völlig zu unrecht.

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